Lützschena vor 150 Jahren
(Abschrift aus dem Tagebuch von E. M. Reichel, der von 1831 bis 1863 Pfarrer in Lützschena war - Jahrgang 1852)
Im Juni gab es vor Johanni mehrere schwere Gewitter, die anderwärts auch gezündet und getötet haben, Überschwemmungen (besonders im Unstruttal) dabei eine außerordentliche Fruchtbarkeit in der Natur und also Hoffnung auf die ergiebigste Ernte.
In Lützschena a) erhing sich der Auszügler Braune aus Lebensüberdruß, Arbeitsscheu und Branntweinentziehung, seitdem sein Schwiegersohn, unser Vetter Hase, das Gut übernommen. Er durfte in der Stille beerdigt werden, mit Anwendung der alten Bahre und des früheren Leichentuchs (um Ärgernis zu vermeiden); ich betete am Grabe, b) mußte auf Verordnung eine Fahrbrücke beim Wilde-Rodolphschen Hause gebaut werden, wie denn der Straßenmeister Landgrav mit aller Strenge die Wege in den 3 Dörfern bessern und pflastern läßt.
14. Juli. Nach zweiwöchentlicher heißer Witterung erfolgte heute Nachmittag erquickende Abkühlung durch heftige Gewitter, von erquickendem Regen begleitet. Ein starker Schlag ließ nach Zerstörung vermuten und bald nachher zeigte sich wirklich, daß der Blitz unter sehr merkwürdigen Umständen rechtsseits der Brücke herabgekommen, durch die Zinkbekleidung des Brückengeländers herabglitt und in die letzte Pappel vor der sogenann- ten Reistränke eingeschlagen, daran bis zum Stockwerk Splitter davon weit und breit umhergeworfen, eine danebenstehende Säule demoliert, etwas Zink von der Brückenlehne abgerissen hat und dergleichen. An demselben Nachmittag hat der Blitz unweit der Rückmarsdorfer Brücke eine herrliche Eiche von ca. 6 Ellen Umfang furchtbar also getroffen, daß nur noch der Stumpf dasteht und die stärksten Äste in weiten Entfernungen umher zerstreut liegen. Heute früh fuhr ich mit Fräulein Anna von Sternburg nach Leipzig, um in der Nikolaikirche den berühmten D. Ahlfeld einmal predigen zu hören. Vorgestern habe ich in der Stadtkirche zu Delitzsch meine Cousine Emilie Söllner mit dem Thüringischen Eisenbahnmaschinisten Herrn Hermann Stirkel in feierlicher Brautmesse copuliert und frohe Stunden mit den Meinigen (Baronesse Anna von Sternburg ließ uns im herrschftlichen Wagen dahinfahren) im Kreise lieber Verwandten und Freunde (namentlich Superintendent Förster) verlebt. Schon erblickt man hier und da Garben auf dem Erntefeld. Die Ölfrucht ist noch über Erwarten gut geraten; das Getreide aber vorzüglich schön (Ähren mit 70 und mehr Körnern, doch wenige Schock).
(Abschrift wird fortgesetzt)

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