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ERINNERUNG AN BRUNO PEGLAU

Begründer von Dorettenring und Gartenstadt

Bruno Peglau, mein Großvater, wurde 1875 als Sohn des Fabrikanten Ferdinand Peglau geboren. Seine Vorfahren (polnische Namensform: Peglow) waren aus ihrer Heimat Hinterpommern nach Sachsen gekommen. Er studierte an der Leipziger Universität Jura und war danach als Rechtsanwalt in Leipzig tätig. Am 3. Januar 1900 heiratete er Doris Böttcher. 1906 erwarb er in Quasnitz (das 1929 nach Lützschena eingemeindet wurde) die Grundstücke Hohle Gasse 2 und 8 sowie das Gelände bis zum damaligen Flußlauf der Weißen Elster (heutige Begrenzung: der Damm des Kanals und die Straße nach Böhlitz?Ehrenberg). Hohle Gasse 2 war ein landwirtschaftliches Anwesen und wurde verpachtet. Die Gutsgebäude bildeten einen Dreiseithof. Von der Originalanlage blieben nur ein Stallgebäude und das bemerkenswerte Tor erhalten. Der große Torbogen ist in Lehmbauweise ausgeführt. Der Unterbau besteht aus Ziegelmauerwerk. Es handelt sich um das letzte im ursprünglichen Zustand erhaltene und wohl älteste Beispiel dieses Tortyps in der Leipziger Region. Hohle Gasse 8 diente der Familie Peglau von 1906 bis 1910 als Sommerhaus und danach als ständiger Wohnsitz. Ich selbst habe von 1924 bis 1931 in der Hohlen Gasse 2 und von 1944 bis 1977 in der Hohlen Gasse 8 gewohnt..

In dem 1906 von meinem Großvater erworbenen Areal entstand ein großer und gut gepflegter Park. Dort gab es einen Teich, umgeben von herrlichen, großen Bäumen, die heute noch stehen. Über einen Bachlauf führte eine Brücke. Außerdem standen in dem schönen Park einige Statuen.

 

Von Bruno Peglau stammt die Initiative für den Bau von Dorettenring und Gartenstadt. Er war jedoch nicht der Architekt, wie oft behauptet wird. Er gab 1909 den Anstoß zur Gründung der Gartenstadt G.m.b.H. Quasnitz. An ihr waren außer ihm noch die Herren Dr. Weniger und Oehlschlägel finanziell beteiligt, von denen jeder in der Elsteraue, hinter der Hainkirche, eine Villa besaß. Für ihre Bauvorhaben erwarb die Gartenstadt G.m.b.H. in der Gemeinde Quasnitz ein 250 000 qm großes Gelände. Anregungen für den Baustil der Häuser (z.B. die Verwendung roter Ziegel, die Gestaltung der Hauseingänge und die leider im 2. Weltkrieg größtenteils zerstörte Bleiverglasung der Fenster) holte sich mein Großvater auf Reisen in Holland.

Der Name der 1906 ? 1908 erbauten Villenkolonie Dorettenring ist von der Koseform des Vornamens Doris hergeleitet. Meine Großmutter wurde nämlich so genannt. Mit diesem Wohnviertel ist ein Stück kulturellen Lebens in Lützschena verbunden: Bruno Peglau und seine Frau hatten ein reges Interesse an Kunst und Literatur. Zu ihrem großen Freundeskreis gehörten auch Leipziger Künstler, Schauspieler und Schriftsteller, die im Dorettenring wohnten oder häufig dort verkehrten. Ich erwähne hier den Buchgestalter Professor Walter Tiemann (1876 ? 1951), Rektor der Leipziger Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe. Eine bekannte Bewohnerin des Dorettenrings, war die Schauspielerin Martina Otto, die im Leipziger Schauspielhaus und im Alten Theater auftrat. Dann gab es den Schriftsteller Schaumburg (Künstlername: Paul Burg) und den Maler Hartwig. Von ihm besitze ich noch zwei
AquarelleTor (Hohle Gasse 2; Gartenseite des Hauses Hohle Gasse 8). Im Dorettenring 6 wohnte der Maler Buchholz. Er porträtierte die Musikwissenschaftlerin Theodora Schuster?Lott. Das Bild müßte noch bei Jürgen Schuster im Dorettenring 7 hängen. Zu erwähnen. wäre schließlich der Arzt Dr. Georg Maillefert, der seine Praxis im Haus Nr. 5 hatte, assistiert von seiner Haushälterin Leokadia.

Nach der Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg, der ihn in die Dobrudscha geführt hatte, versuchte Bruno Peglau, den Bau der 1911 begonnenen Gartenstadt weiterzuführen. Doch leider trieben ihn die bis dahin aufgelaufenen Kosten des Projekts und die schlechten ökonomischen Verhältnisse der Nachkriegszeit in den finanziellen Ruin. Hoch verschuldet und nach schwerer Krankheit starb er 1922 in einer Leipziger Klinik. Seine Witwe lebte noch bis 1951 in der Hohlen Gasse 8.

Eleonore Schleif geb. Peglau, Garmisch-Partenkirchen



DORETTENRING UND GARTENSTADT AUS HISTORISCHEIR SICHT


In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten englische Architekten erste Theorien für den Bau von Gartenstädten. Ab 1903 entstand Letchworth (bei London) als erste Gartenstadt Englands. In Deutschland war 1902 die Deutsche Gartenstadtgesellschaft gegründet worden. Nachdem man 1908 mit dem Bau von Hellerau (bei Dresden), der ersten und bekanntesten Gartenstadt Deutschlands, begonnen hatte, wurde 1909 durch die Initiative von Bruno Peglau die Gartenstadt Quasnitz G.m.b.H gegründet. Für die Verwirklichung des Gartenstadt- Projekts erwarb die Gesellschaft in der Gemeinde Quasnitz 250 000 qm Bauland und gab eine ausführliche Werbeschrift heraus. In der Folgezeit entstand in Quasnitz eine der frühesten Gartenstädte Deutschlands. Ihre Architekten orientierten sich an den Prinzipien der Gartenstadtbewegung.

Die beiden Baukomplexe "Villencolonie Quasnitz" (später Dorettenring genannt) und Gartenstadt Quasnitz zeigen in stilistischer Hinsicht gewisse Unterschiede: Die Häuser des Dorettenrings sind aufwendiger gestaltet als die der Gartenstadt, welche einheitlicher ausgeführt sind und somit ein geschlossenes Siedlungsbild ergeben, einschließlich der Brunnenanlage an der Jungfernstiege. Die Errichtung des Dorettenrings und des größten Teils der Gartenstadt fiel übrigens in die Zeit des Jugendstils.. Entsprechende Reminiszenzen kann man vereinzelt an Dekorationselementen der Häuserfronten entdecken.

Aus den wenigen vorhandenen Dokumenten und den Ergebnissen einer 1994/95 durch das Institut für Freiraumentwicklung und planungsbezogene Soziologie der Universität Hannover vorgenommenen Untersuchungen läßt sich folgender Bauablauf rekonstruieren : Im August 1906 wurde die Baugenehmigung für den Dorettenring erteilt. Entlang einer hufeisenförmig verlaufenden Straße entstanden, sozusagen als Vorläufer des Gesamtprojekts, bis 1908 21 Häuser (Architekt: Felix Schirmer).
Wertvolle Details aus der Baugeschichte der Anlage werden den Nachforschungen Siegfried Winklers verdankt.- Etwa 1910 begann man mit dem Bau der Gartenstadt, deren Bebauungsplan (Architekten: Esch und Anke) erhalten ist. Geplant waren ca. 140 Häuser. Davon war das Gros bei Ausbruch des 1. Weltkriegs fertiggestellt. Während der Nachkriegszeit verringerte sich, bedingt durch die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, die für den Abschluß des Projekts erforderliche Bautätigkeit, bis sie um 1926 bei einem Gesamtbestand von 135 Häusern ganz aufhörte. Das restliche freie Gelände fiel damals an die Stadt Leipzig, die es an private Nutzer verkaufte oder verpachtete. Aus der Wegeführung läßt sich noch der einst vorgesehene Gesamtumfang der Gartenstadt ableiten.

W. Müller


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