Neue Impulse für eine fruchtbare Partnerschaft

Der Auen-Kurier befragte den 1. Bürgermeister der Gemeinde Hurlach, Wilhelm Böhm, zu seinen Eindrücken vom Arbeitsbesuch in Lützschena-Stahmeln

 

1. Bürgermeister der Gemeinde Hurlach, Wilhelm Böhm

Wilhelm Böhm ist seit 2002 Erster Bürgermeister der Gemeinde Hurlach im Landkreis Landsberg am Lech in Oberbayern. Er ist in Hurlach aufgewachsen. Wilhelm Böhm ist 51 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er gehört der CSU an. Beruflich ist er Diplom-Informatiker. Neben seiner Haupttätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister er noch in Teilzeit im Rechenzentrum des Sparkassenverbandes München tätig. Seit 2008 gehört er dem Kreistag des Landkreises Landsberg am Lech an.

 

Auen-Kurier: Herr Bürgermeister, mit einigen Ihrer Gemeinderäte weilten Sie vom 19. bis 21. September auf der Grundlage des bestehenden Partnerschaftsvertrages zu einem Arbeitsbesuch im sächsischen Leipzig-Lützschena/Stahmeln.

Was bedeutet den Hurlacher Gemeinderäten und Ihnen persönlich dieser Partnerschaftsvertrag mit der hiesigen Ortschaft?

 

Bürgermeister Böhm: Die Partnerschaft mit der Gemeinde Lützschena-Stahmeln im Jahre 1993 einzugehen, war eine gute vorausschauende Entscheidung meines Vorgängers Herrn Altbürgermeister Bernd v. Schnurbein. Mit dem Arbeitsbesuch wollten wir die seit 15 Jahren bestehende Gemeindepartnerschaft mit dem Ort Lützschena-Stahmeln stärken. Die meisten Mitglieder im neuen Gemeinderatsgremium kennen ihre Partnergemeinde noch nicht, deshalb ist hier Informationsbedarf gegeben.

Insgesamt ist es für uns sehr wichtig über das eigene Aufgabengebiet zu blicken. Wir wollen keine Kirchturmpolitiker sein. Wir sehen die Verbindung als Bereicherung für unsere Arbeit in unserer Kommune an. Gegenseitiger Austausch kommunalpolitischer Themen fördert bei jeder Seite den Blick für das Ganze. Unsere beiden Gremien Ortschaftsrat und Gemeinderat sind verpflichtet, für die Verbesserung der Lebensqualität aller Einwohner einzutreten. Eine aktive einvernehmliche Kommunalpolitik kann viel Positives für den Ort bewegen. Natürlich sind unsere Möglichkeiten einer selbständigen Gemeinde umfangreicher, da die Bauleitplanung und der Gemeindehaushalt voll in unseren Händen liegt und nicht von außen bestimmt wird. Dennoch hat auch ein Ortschaftsrat durch das verankerte Mitspracherecht Einfluss im Stadtrat. Kommunalpolitik ist Basisarbeit für alle Bürger, die von der Politik auf Landes- und Bundesebene oft unterschätzt wird. Jeder gewählte Abgeordnete sollte Erfahrungen aus kommunalpolitischen Gremien aufweisen.

 

Auen-Kurier: Es ist nicht Ihr erster Besuch in den neuen Bundesländern. Wie schätzen Sie, 18 Jahre nach der Wiedervereinigung der Deutschen aus West und Ost, die vorgefundenen Fortschritte in der Neugestaltung von Lützschena/Stahmeln ein?

 

Bürgermeister Böhm: Ich bin der Meinung, dass eine kontinuierliche Weiterentwicklung auf vielen Ebenen erkennbar ist, auch wenn in manchen Regionen noch unbestritten strukturelle Probleme vorhanden sind.

In Lützschena-Stahmeln hat es allen Mitreisenden gut gefallen. Wir haben den Eindruck, dass hier freundliche Menschen wohnen, die gerne hier leben und das Lebensumfeld mit Fleiß gestalten. Das ist nicht viel anders als bei uns.

Die Ortschaft hat sich baulich gut entwickelt. Baugrund zur Ansiedlung von Neubürgern und jungen Familien ist vorhanden. Als Stadtteil von der Halbmillionenstadt Leipzig sind andere Perspektiven möglich, gerade im Bereich der Gewerbeansiedlung, die Arbeitsplätze bringen. Dennoch erkenne ich auch, dass durch die verlorene Selbständigkeit die bürokratischen Wege für einzelne Umsetzungen verlängert und erschwert wurden. Positiv sind die verbliebenen Einflussmöglichkeiten des engagierten Ortschaftsrates durch das Anhörungsrecht im Stadtrat zu sehen. Uns als selbständige Gemeinde fällt manche Umsetzung leichter, dafür stehen wir in der Alleinverantwortung für die Entwicklung der Gemeinde.

Von dem gut ausgebauten Flughafen und der Ansiedlung der Fa. Porsche bin ich ebenfalls beeindruckt, weil dies auch in Zukunft für die nächste Generation Arbeitsplätze schafft, Die vom Flughafen ausgehende hohe Frequenz der Nachtflüge für den Frachtverkehr der DHL, hat uns überrascht. Einerseits ist die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Fluglärm von Nachteil, andererseits bietet ein Flughafen auch wirtschaftliche Chancen.

 

Auen-Kurier: Was waren Ihre stärksten Eindrücke während des Arbeitsbesuches mit seinem reichhaltigen Besuchsprogramm?

 

Bürgermeister Böhm: Wir haben uns in und um Lützshena-Stahmeln sehr wohl gefühlt. Einige Gemeinderäte waren das erste Mal hier. Der Einsatz des Ortschaftsrates für die Belange der Mitbürger ist aus meiner Sicht in Lützschena-Stahmeln überdurchschnittlich vorhanden. Dieses ehrenamtliche Engagement kommt den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zugute.

Der prosperierende Flughafen hat mich überrascht. Die Lärmproblematik, vor allem in der Nacht, ist jedoch ein Wermutstropfen für die Wohnbevölkerung.

Die bauliche Entwicklung des Ortes macht auf uns insgesamt einen guten Eindruck. Leider trübt die in Abbruch befindliche Brauerei Sternburg das Ortsbild. Es tut auch einem Bayern in der Seele weh, dass diese Traditionsbrauerei nicht mehr existiert.

Die Möglichkeiten der Naherholung im Auenwald sind ebenfalls wertvoll.

Die Feuerwehr ist personell und materiell bestens aufgestellt. Die Bücherei im alten Rathaus ist gut sortiert. Über das Vereinsleben, sowie Kindergarten und Schule konnten wir in der kurzen Zeit nur wenige Eindrücke sammeln.

Der hohe Einsatz von Herrn Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg für seine Ortschaft ist auch hervorzuheben. Von seinem kulturellen und ökologischen bis zu seiner Bildersammlung im neuen Museum in Leipzig sind wir sehr beeindruckt.

Ebenfalls hat die Entwicklung der Stadt Leipzig einen aufstrebenden gelungenen Eindruck hinterlassen. Ich kannte die Stadt nur aus meinem letzten Besuch vor 12 Jahren. Den Empfang im Rathaus haben wir als überaus freundliche Geste wahrgenommen.

 

Auen-Kurier: Mit welchen Ergebnissen vom stattgefundenen Erfahrungsaustausch zwischen Ihrer Gemeindevertretung und dem Ortschaftsrat von Lützschena/Stahmeln traten Sie und Ihre Kollegen die Heimreise an? Welche Perspektive geben Sie dem bestehenden Partnerschaftsvertrag?

 

Bürgermeister Böhm: Die Partnerschaft sollte im Sinne des Partnerschaftsvertrages weitergeführt werden und gemeinsame aufgeschlossene Begegnungen, insbesondere der Jugend, fördern.

Die regelmäßigen Treffen für beide Gremien sind weiter zu intensivieren. Der direkte Kontakt zwischen den Bürgerinnen und Bürgern sollte vertieft werden. Konkret würde ich mich freuen, wenn zur Inbetriebnahme und Einweihung des neuen Feuerwehrlöschfahrzeuges Ende nächsten Jahres wieder Bürgerinnen und Bürger und speziell Feuerwehraktive aus der Ortschaft uns besuchen würden.

 

 

Auen-Kurier: Was möchten Sie den Bürgern von Lützschena/Stahmeln für deren künftiges gesellschaftliches Engagement mit auf den Weg geben?

 

Bürgermeister Böhm: Bürgerschaftliches Engagement ist die Keimzelle für ein gutes Miteinander im Ort. Wichtige Entscheidungen Vorort können direkt beeinflusst werden. Für die künftige Kommunalwahl in Lützschena-Stahmeln würde ich mir wünschen, dass sich viele Bürger aus allen Schichten und Altersstrukturen zur Wahl zur Verfügung stellen. Dieses Engagement Vorort für die Heimat im eigenen Wirkungskreis verschafft Zufriedenheit und Anerkennung, macht Freunde und fördert die persönliche Weiterentwicklung. Gerade junge Menschen sollten diese Möglichkeit der direkten Einflussnahme wahrnehmen. Ich hoffe, dass viele Bürgerinnen und Bürger in der kommenden sächsischen Kommunalwahl wählen gehen. Nur gemeinsam können wir die Zukunft gestalten. Die Wahlbeteiligung in Hurlach lag bei der diesjährigen Kommunalwahl knapp bei 70 %, was uns nicht ganz zufrieden gestellt hat. Bei der Bürgermeisterwahl 2002, in der ein neuer Bürgermeister gewaählt wurde. Lag sie immerhin bei über 85 %.

Insgesamt haben wir in der Gemeinde bei der kommunalen Selbstverwaltung gute Erfahrungen gemacht. Dies spiegelt sich auch am Interesse für diese Arbeit bei den Bürgern wider. Zum Beispiel haben sich in unserer Kommunalwahl im März dieses Jahres für die 12 besetzten Gemeinderäte immerhin 44 Kandidaten zur Verfügung gestellt und das bei knapp 1700 Einwohnern. Auch junge Kandidaten waren dort erfolgreich. Für wichtig halte ich auch den Hinweis, dass Parteipolitik in unserem Gemeinderat keine Rolle spielt.

 

Auen-Kurier: Herr Bürgermeister, vielen Dank für die Antworten auf unsere Fragen. Wir wünschen Ihnen auch zukünftig für Ihr verantwortungsvolles Amt viel Kraft und das Beste.