Historischer Marstall gerettet
Die Rekonstruktion des Lützschenaer Schlosses verläuft weiter erfolgreich
Meisterleistung der Schlossbewohner
Über aufwändige Bauarbeiten sprach der Auen-Kurier mit einem der Schlossherren, Ferdinand Freiherr von Truchseß
Zu besten Zeiten des Lützschenaer Schlosses standen in dem wuchtigen Nebengebäude Pferde. Zuvor wurde dort Bier gebraut, bis zur Inbetriebnahme der Sternburg-Brauerei am bekannten Standort. Seitdem erlebte der Marstall eine wechselvolle Geschichte. Während der DDR wurde er als Reithalle genutzt. Dazu hatte man statisch notwendige Stützen entfernt, um Platz zum Reiten zu gewinnen. Auf der Nordseite hatte man die neogotischen Blendbögen zugemauert und auf der Südseite die Treppengiebel abgerissen. Die letzten Jahre war die Stadt Eigentümer und ließ das Gebäude einfallen. 2005 kauften die Schlossherren den Marstall von der Stadt und begannen die Sanierung.
Jetzt erscheint der Marstall, dank der Arbeit der neuen Schlossbewohner, der Familien der Rechtsanwälte Hubertus von Erffa und Ferdinand Freiherr von Truchseß, mit neuer Zweckbestimmung im neuen Glanze. Die mehrjährige Bautätigkeit am Objekt steht kurz vor dem Abschluss.
Auen-Kurier: Herr von Truchseß, Sie, Ihr Freund von Erffa und Ihre beiden Gattinnen, verdienen höchste Anerkennung für die Rettung des Marstalls. Glückwunsch zu dieser außerordentlichen Leistung in einer beispielgebenden Bürgerinitiative.
Was veranlasste Sie, sich des ruinösen Marstalls anzunehmen?
Freiherr von Truchseß: Unsere Idee war zuerst, das Objekt zu retten. Als wir es nach dem Kauf des Schlosses erstmals kennen lernten, befand es sich in einem bejammernswerten Zustand. Das Norddach war bereits eingebrochen. Die Bausubstanz zerfiel. Regen und Sturm hatten ihm arg zugesetzt. Im Jahre 2005 haben wir die faktisch zur Ruine verkommenen Gemäuer von der Stadt Leipzig gekauft.
Auen-Kurier: Wie verliefen die Bauarbeiten, die Sie ja vorrangig in Eigenleistung und ohne öffentliche Zuschüsse bewältigt haben?
Freiherr von Truchseß: Sofort nach dem Kauf des Objekts begannen wir 2005 unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten mit der Sanierung. An erster Stelle stand die baugerechte Sicherung des Norddaches und des Uhrentürmchens, das ursprünglich das alte Barockschloss zierte und nach dessen Abriss einfach auf den Marstall aufgesetzt worden war.
2006 erfolgten die Sanierung des Süddaches und der Wiederaufbau der Treppengiebel, die teilweise abgerissen waren. 2007 begann dann schrittweise die Innensanierung. Und so ging es auch in den folgenden Monaten weiter. Unter anderem haben wir in diesem Prozess die nicht mehr vorhandene Orangerie in geeigneter Weise nachempfunden.
Ein besonderes Problem war die Beschaffung von geeignetem Baumaterialien, die unsrer Vorstellung einer behutsamen denkmalgerechten Sanierung gerecht wurden. Wir besorgten sie uns oft unter abenteuerlichen Umständen. Abrisshäuser, die wir aufsuchten, boten uns manchen Schatz. Beispielweise verwendeten wir Balken und Türen der Kolonnaden des ehemaligen Lützschenaer Gasthofes. Viele Türen stammen aus der Rekonstruktion des Bodemuseums in Berlin. Man baute dort feuersichere Türen ein. Über Umwege landeten die alten Türen im Marstall.
Auen-Kurier: Was haben Sie im Ergebnis Ihrer mühevollen Arbeiten an Räumlichkeiten gewinnen können?
Freiherr von Truchseß: Im Erdgeschoss des Marstalls stehen jetzt etwa 350 Quadratmeter Nutzungsfläche, verteilt auf sechs Räume, zur Verfügung, sowie eine Küche und natürlich Toiletten. Im 1. Obergeschoss gewannen wir nochmals einen großen Raum von 250 Quadratmetern, der sich bestens für Ausstellungen eignen wird. Es ist fest geplant, dass dort im September 2009 die Auen-Galerie des Lützschenaer Künstlerkreises ihren Platz findet.
Auen-Kurier: Wie soll nun das neu entstandene Kleinod künftig genutzt werden?
Freiherr von Truchseß: Zunächst war uns nicht klar, was mit dem sanierten Marstall nach seiner Rettung erfolgen soll. Allerdings überlegten wir von Anfang an, eine Zweckbestimmung zu finden, die möglichst wenig in die bestehende Bausubstanz eingreift und den Marstallcharakter erhält.
Die letztlich ausschlaggebende Nutzungsidee kam uns dann im Jahre 2007, als Freunde Räumlichkeiten für die Feier ihrer Hochzeit suchten. Die Feier fand im wieder erstandenen Marstall statt, und alle Teilnehmer waren von dessen Ambiente begeistert. Damit war das Nutzungskonzept gefunden. Entstanden sind letztlich private Räume, die wir für Veranstaltungen verschiedenster Art nutzen und auch vermieten werden. Wir denken dabei unter anderem an Familienfeiern aller Art und geeignete kulturelle Ereignisse, die dem Charakter des Marstalls gerecht werden.
Wer mehr über den Marstall erfahren will, kann das in Internet unter www.marstall-leipzig.de
Auen-Kurier: Herr von Truchseß, vielen Dank für dieses Gespräch
Interview: Gottfried Kormann