Tagebuch Pfarrer Reichel

 

Da für April 1859 kein Eintrag vorhanden ist, fügen wir die Abschrift vom April 1849 an dieser Stelle ein:

12. April :

Das Osterfest ist vorüber, schöne Witterung begünstigt die festliche Confirmation- und Feiertage; seit dem erst ist es wieder rauh und unfreundlich geworden. Uebrigens hat sich der traurige politische Zustand unsers – in den Augen der Zeitgenossen vielfach entehrten Vaterland nicht geändert. Der Schleswig-Holstein-Dänische Krieg aber ist aufs neue entbrannt;

Sächsische u. andere deutsche Heeresmassen sind dazu hinausbeordert worden.

Den 18n. April wurde die Kleinkinderbewahranstalt wieder aufgethan; Herr Baron M.v.Speck aber weilt schon seit einiger Zeit wieder in Bayern, wo zu St. Veit das ganze Personal hat gewechselt werden müssen. Hier aber wurde jüngst sein H.Sohn mit „Kugeln“(u. in einem am 8.Mai gefundene Wische mit Brandstiftung) schriftlich bedroht,  wenn er nicht für 8Ngr.Tagelohn alsbald Arbeit gebe! Kurz allenthalben ist  noch böse Zeit, nah‘ und fern, der Geist der Willkür herrscht noch überall, die Vaterlandsverräter treiben unermüdlich ihr Wesen.

Der 26ste.April brachte dem Pfarrhause eine Trennung auf lange Zeit: Rudolph Neitzsch, mein aus Hänichen gebürtiger Neffe u. Mündel, Tischlergeselle und seit Neujahr brodloser Arbeiter in Folge der fortwährenden politischen Wirren, trat eine seine Reise nach New York in Nord Amerika an, indem er haute Abend auf der Eisenbahn nach Bremen fährt. Das Passagiergeld für das Zwischendeck auf einem Segelschiffe betrug in Gold nach Courant gegen 47 Thaler. Gott führe ihn glücklich in die neue Welt, und lasse ihn dort recht wohl ergehen.