Das Grabkreuz für Pfarrer Theile und seine Frau auf dem Hänicher Friedhof

 

Wer in den letzten Wochen den Hänicher Friedhof besucht hat, dem wird das gußeiserne Kreuz rechts vom Eingang aufgefallen sein.

Dem Einsatz einiger Gemeindemitglieder ist es zu verdanken, dass es die Zeiten überdauert hat und nun, mit einem Schutzanstrich versehen, wieder aufgestellt werden konnte.

Neben dem Grabstein für Pfarrer Fritzsche (1935-1991) ist es das einzige noch vorhandene Grabmal für einen Lützschenaer Pfarrer. Es erinnert an Johann Gottlob Theile (1764-1830) und seine Frau Johanne Caroline Erdmuthe geb. Lessing (1780-1842) und ist, wie die Inschrift auf der Rückseite verrät „Den theueren Eltern die dankbaren Kinder“ gewidmet. Bei letzteren handelt es sich übrigens um Pfarrer Ernst Moritz Reichel (1798-1863) und seine Frau Caroline Henriette geb. Theile (1800-1869). Mit der Übernahme der Pfarrstelle heiratete er nämlich 1831 die Tochter des im Jahr zuvor verstorbenen Pfarrers und sicherte somit dieser sowie seiner Schwiegermutter das Auskommen.

Seitdem sich seit 1537 Lützschena und Hänichen mit Quasnitz einen Pfarrer „teilten“, war vertraglich geregelt, dass die Pfarrer in Lützschena wohnten, aber in Hänichen begraben wurden. Wie eine solche Beerdigung ablief, ist in einem Schreiben von Ernst Moritz Reichel an Charlotte Speck von Sternburg vom 30.09.1830 überliefert:

 

Unter manchen Vorbereitungen nahte der Begräbniß-Sonntag. Ich hatte die Frühpredigt in Lützsch. übernommen; aber mit wie ganz anderen Empfindungen, als am Jubelfeste, betrat ich dießmal die Kanzel, von welcher aus der treue Hirt nie wieder der Gemeinde das Wort des Lebens verkündigen sollte; wie schmerzlich ward mir die Pflicht, den bewegten Zuhörern diesen Todesfall an dieser heiligen Stätte zu melden! Bei meiner Rückkehr ins Trauerhaus fand ich den lieben Todten in seiner letzten Wohnung, unter Blumen und Kränzen gebettet, dass kaum der priesterliche Ornat zu sehn war; heiter und ruhig lag der Entschlafene da, er hatte einen guten Kampf vollendet! Nach 1 U. versammelten sich die Trauergenossen - beiderlei Geschlechts, und sehr zahlreich, wie sich denken ließ; bald kam die Schule mit den andern beiden Gemeinden an; die Kirchfahrt hatte auf eigene Kosten 8 Thomaner aus Leipzig in der Kutsche nach Hänichen holen lassen, sie dort beköstigt, und nun sangen diese am Sarge vor’m Hause, zwischen 2 andern Gesangbuchliedern, die schöne Arie: „ Lebe wohl o mütterliche Erde.“ Feierlich bewegte sich der lange Zug vorwärts in folgender Ordnung: die Schule und Geistlichkeit (die Pfarrer von Wahren, Rückmarsdorf, Gundorf, Leutzsch, Dölzig und Schkeuditz, P. Friedrich war abgehalten worden zu kommen); die Leiche, von Lützschener Einwohnern bis zur Grenze, und von Quasnitzern weiter bis zu deren Grenze, und endlich von Hänicher Kirchkindern bis ans Ziel getragen; hierauf die männlichen Anverwandten und Trauerbegleiter, nach diesen die weiblichen (wohl ists für eine Wittwe und für Tieftrauernde des andern Geschlechts gewiß eine harte Aufgabe, dem Sarge des Gatten, des Vaters und Freundes bis zum Grabe zu folgen; doch das will hier nun einmal die Sitte also, ihr mußten auch des seligen Pastors Hinterlassenen sich fügen; die Dresdener Tochter Fräulein Caroline Th. war nicht zugegen, sie hatte erst Sonnabend Nachmitt. die Todespost empfangen). Als der Zug eben bei der Kirchgasse in Hänichen ankam, schwiegen Gesang und Geläute, und vom Gottesacker herab ertönte, von gedämpften Posaunen sanft vorgetragen, die rührende Melodie: „Wie sie so sanft ruhn“, bis die ganze Prozession in der Kirche angekommen war; - ein kleines Todtenopfer, das ich selbst dem Heimgegangenen zu bringen mich gedrungen fühlte, und weßhalb ich mit den Schkeuditzer Stadtmusikern Tage zuvor Verabredung nahm. Der Sarg ward auf dem Altar niedergesetzt; nach einem Liede folgte die Predigt nebst Lebenslauf – P. Herrnsdorf schilderte die heitre Gemüthsruhe eines treuen Lehrers am Abend seines Lebens; darauf eine Arie, von Thomanern vorgetragen; der Segensspruch; 2 Verse; die Abdankung, kräftig und herzlich gesprochen von P. Maschner aus Rückmarsdorf, dem ältesten und treuesten Freunde des Verstorbenen; wieder eine Thomanerarie. Hierauf ward der Sarg zum Grabe getragen und eingesenkt; am Schlusse eines kurzen Gesangs betrat ich selbst den Erdhügel am Grabe und rief dem Guten das letzte Lebewohl, den letzten Dank nach! Es waren schmerzliche Augenblicke der bittersten Trennung und unzählige Thränen sind damals und dort vergossen worden! – Ein erhebender Thomaner Gesang beschloß die rührende Todtenfeier, nach deren Beendigung wir Trauergäste alle noch, bis nach 7 Uhr viele, auch Ihr H. Bruder Gustav H. mit mir, im Pfarrhause einmüthig bei einander waren.-

 

 

St. Berlich