Da die Chronik für den Januar bis März 1862 keinen Eintrag enthält, fü-gen wir an dieser Stelle Einträge vom Jahr 1837 (vor 175 Jahren) ein; in diesem Monat März und April:

Am 9. März (Donnerstags), als am 1. Jahrestage des Todes unsrer guten se. Baro-nesse Charlotte v. St. wurde Nachmittags eine Todtengedächtnisfeier, mit Wissen u. Wunsche des H. Barons, der indeß mit seinen beiden Frln. Töchtern nach Hannover vorigen Donnerstag zu verreisen veranlaßt worden war, in folgender Weise veran-staltet. Um 3 U. holte ich, begleitet v. meinem Hänicher Sängerchor u. den 12 Confirmanden u. Cdinnen dies. J. sowie von mehreren erwachsenen Personen uns. Orts u. dessen Armen besonders, (denen ich gestern bereits ihren Antheil á 10 Gr. von der Charlotten-Almosenstiftung überbracht u. in ihren Namen in den Leipz. Zeitgen zu danken mich erboten) auf dem Hofe den jungen Baron Hermann, der mit 2 Freundinnnen der Seligen, aus der Stadt gekommen war, ab, u. wir alle verfügten uns, - freilich bei ungünstiger Aprilwitterung, - zur Grabkapelle im Park. Die Sänger stimmten an: Wie sie so sanft ruhe p. (während mehrere Kränze in die Kapelle zum Sarge getragen wurden), darauf sprach ich in einigen Worte den Zweck der Feier aus; ihnen folgte noch:” Im Grabe ist Ruh”, u. “Auferstehen, ja auferst. p.” worauf wir unter wehmüthigen Erinnerungen die Stätte verließen, die soviel Theures birgt. Den Sängern hatte H. Baron Sp. eine Gratification von 2 Rt. zurückgelassen.
Ich beendigte in diesen Tagen die, vom H. Baron mir abermals (einmal schon früher, als ich noch s. Hauslehrer war) ehrenvoll übertragene Correspondenz in Folge seines 2. Gemälde-Catalogs, der auf Ostern über 100 Personen (dartr. vielen hoch- u. fürstlichen - Kaisern, Königen pp. selbst dem gegenw. Papste Gregor XVI. (der einen evange. General v. Lepel aus Berlin freien Zutritt zu s. verstattet weil dieser ihm durch einen herbeigerufenen deutschen Arzt v. e. gefähr. Krebsübel im Gesäß be-freiet hat) u. Gesellschaften übersendet werden soll; u. wofür H. B.v.Sp. sich sehr dankbar bewies.
Die Grippe u. andere Krankheiten grassieren noch immer weit u. breit, im In- u. Aus-lande, zum Theil selbst verherrend.
Syrien hat am Neujahrstag durch Erdbeben über tausend Menschen verloren!
Der Frühling trat am 20. März mit neuem Schnee u. 4 Gr. Kälte ein; dieser doppelte Nachwinter bringt uns um den Gründonnerstags-Honig: die armen Bienchen können noch keine Nahrg finden, wie sehr auch oft die Sonne lockt. Die Elster ist sehr ange-schwollen. Die Armen haben kein Holz! Fleißige Arbeiter können jetzt auf der Leipzig Wurzener Eisenbahn täglich 20 Gr.- 1 Rt. verdienen.
Wenn nur H. Schulmstr. Cand. Oertel nicht - wie man vermuthen will, einen Luftröh-ren-Polyp hat! -Er klagt fortwährend.
24. März. Charfreitag. Bei e. Kälte von 8°, die indeß bald sehr abschlug vollzog ich die Confirmation der 12 Catechumenen dies. J. in der Kirche zu Lützschena, welcher nach Tische die Gedächtnisfeier des Tods Jesu in der Hänicher Kirche folgte; worauf ich noch in H. Schulm. Oertels Begleitg. die Confirmanten zur Grabkapelle im Park führte.
Die Osterfeiertage verflossen rauh u. trübe meist, selbst Schneeflocken gab’s, schön war der 29. März, an welchem sich die Mitglieder unsres Partial-Wittwen-Fiscus bei mir zu e. außerordent. Convent zr. Besprechg über die neuen Gesetze desselb. ver-sammelten.
Noch am letzten Tage des Monats fiel einiger Schnee. Kürzlich ward in Oesterreich ein starker Erdstoß verspürt. Am 3. Tage nach Ostern brannte e. Theil Annabergs ab. - reiche Sammlungen gingen bald auch aus uns. Niederlande dahin ab.
3. April, bepflanzte die Gemeinde Lützschena den ihr zugehörigen Platz jenseits des Kirchstegs nach der Fischerei zu mit jungen Pflaumenbäumen, nachdem die vordem daselbst befindlichen alten Weiden kürzlich abgeschlagen worden waren. Ich, der Pfarrer, hatte weder an diesen Weiden noch an jener Anpflanzung Theil, gönne aber den Leuten das Holz, sowie ich mich der jungen Bäumchen freue, obgleich nun mehr für die Meinigen u. mehrer Umwohnend ein schöner Wäsche-Trockenplatz verloren gegangen ist.
7. April. Nach einigen rauhen Tagen fiel seit vor. Nacht wieder eine gewaltige Menge Schnee, und wehete es wie mitten im Winter, so auch die folgenden Tage (so hatte ich gerade Sonntag Mittag eine Leiche (mit Abdankg in d. Kirche zu Lützschena) bei Schneegestöber, u. darauf den schlechtesten Schneeweg - tiefer u. nasser Schnee - nach Hänichen zur Kirchenzins-Einnahme.
Leider haben wir vor diesem neuen Winter, wie fast Alle wohl, den Wein v. seiner Strohdecke befreit: wenn es diesem nur nicht übel ergeht denn d. 10 April ists: 5° Kälte am Thermometer! - Viele arme Vögelein fand man draußen erfrohren, viele andere worden eingefangen. Die Wege u. Straßen waren theilweise fast unbegeh- u. befahrbar, u. besonders empfanden die zur Leipziger Messe reisenden Fremden dieß übel, u. ihre Güter langten zum Theil viel später an. Die ganze Böttcherwoche [in der Leipziger Messe die Woche, welche der eigentlichen Meßwoche vorausgeht d.Ü.] verfloß so winterhaft. Mit d. 15. Apr. trat mildere Witterung ein, u. b. e. Wärme bis 9° schmolz der Schnee sehr bald. Kaum aber warn mit dem 22. Apr. angenehme, warme Tage gekommen, als es auch schon den 23 sq. ej. [und die folgenden Tage des Monats d.Ü.] Gewitter gab. - Später noch viel Nässe.
27. Apr. Vorgestrige Nacht schon hatte ich die Tritte eines Fremdlings auf unrechten Wegen im Vorhofe vernehmen lass. u. die Hinterpforte war geöffnet; u. vorige Nacht verscheuchte der Wächter abermals einen Dieb, welcher über die abgebrochenen Latten beim Backhause einbrechen wollte, dann aber mit Zurücklassung eines Stocks über den Gartenzaun entfloh. Die hinterlassenen Spuren veriethen neue od. unbesohlte Stiefeln u. eine kleine Person!