An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom April 1839 - vor 175 Jahren - fort:

18. April. Erst seit ein Paar Tagen ist die anhaltende rauhe Witterung (oft mehre Grad Kälte!) milderen Lüften u. warmen Regenschauern gewichen und nun wird es bald grünen, nachdem alles bisher in langer Erstarrung gehalten worden war. (Der Dresd. Scheffel Roggen kostet noch über 4 Rt.) Gestern endlich kam die gute vielgeprüfte verwittw. Frau Schulmstr Oertel in Hänichen zu ihrer Grabesruhe (Leichenpredigt u. Abdankung, Geläute in Hänichen u. Lützschena, zeichneten ihre Heimfahrt aus).
Jüngst, am 12. u. 13. Apr., erfolgte die festliche Eröffnung der Leipzig-Dresdner-Eisenbahn durch feierliche Abholung des Königs u. seiner Familie von Dresden. Bald darauf verursachte das unvorsichtige Nacheilen eines 2n. Wagens u. sein heftiges Zusammentreffen mit dem ersten auf dem Wurzener Bahnhofe großen Schaden an getrümmerten Wagen u. einigen Schaden am Leibe bei mehreren Passagieren.
29. April. Die vorige Woche brachte mir viele Unruhe. Nachdem mein Stiefbruder, Herrmann Rudolph Reichel, Dr. Philos. (Lehrer an der Rathsfreischule in Leipzig) schon seit Jahren an der Lunge gelitten, u. sich bei diesem krankhaften Zustande nicht genug geschont hatte, eilte sein Leben in dessen noch nicht vollendetem 31n. Jahre zum baldigen Ende. Die Nachricht von dem letzten schweren Krankenlager desselb. veranlaßte mich, Dom. Jubil. [Sonntag Jubilate = 21.04.1839 d.Ü.] nach beendigten Vormittags-Amtsgeschäfften nach Leipzig zu gehen, (als eben in Schkeuditz ein Feuer aufging, welches, bei heftigem Winde, 21 Scheunen verzehrte), u. meinen Besuch den folgenden Tag zu wiederholen, ob ich gleich noch sehr an einem heftigen Catarrh litt. Eben schwitzte ich am nächsten Vormittage absichtlich sehr, als ein Expresser [Eilbote d.Ü.] mir den Tod des Bruders meldete, daher ich nach Tische nach Leipzig fuhr, u. bis nächsten Mittag blieb, um das Nöthigste mit meiner (in Grimma verheiratheten) Schwester, C. Schmidt, zu ordnen. Freitag war das sehr feierliche Begräbnis des Verstorbenen, er ward im Leichenwagen zum letzten (hintersten) Friedhofe gefahren (rechts 4e. Stelle an Pappeln), 7 Wagen fuhren nach, mich nahm der Superint. D. Grossmann u. der Stadtrath D. Seeburg (Vorsteher der RFS) in die Mitte, uns folgten viele Lehrer u. Freimaurerlogenbrüder (deren Bundesgenosse H. gewesen war); am Grabe sprachen: H. Vicedir. Plato, Jul. Hammer, des Verewigsten intimster Freund, ich selbst, u. D. Grossmann endigte seine herrlichen Worte mit dem Segen. Uns 3 Geschwistern, fällt H. R. Verlassenschaft [ = der Nachlaß d.Ü.] zu, welche außer an schönen Meubeln, Pretiosen [ = Schmuck d.Ü.] p. in c. 3000 Rt. besteht, doch gibt’s noch viel Ungeordnetes zu regeln!