An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom Juni 1840 - vor 175 Jahren - fort:
P.S. den 11. Juni.
Vom schönsten Wetter begünstigt, erschien und verfloß der gestrige Tag unsers
Ritterschen Jubelfests. Bei der nach 9 Uhr im Riedelschen Garten beginnenden
Vorlesung des M. Zehme aus Gr. Städteln über d. gegenwärt. (beklagenswerthen
viel unehel. Kinder und Züchtlinge weniger Communicanten ) Zustände Sachsens
(gegen deren theilweise Anzüglichkeiten der mitanwesende Leipziger Kirchen-
und Schulrath Dr. Meissner Protest einzulegen sich verpflichtet sah, beruhigende
Worte hinzufügend) waren außer den Diöcesanen viele Amtsbrüder aus den Grimmaischen,
Bornaischen und Pegauer Landpredigervereine zugegen. Ein frohes, mit sinnreichen
und scherzhaften Toasten vielfach gewürztes Festmahl, dem viele unserer
Frauen und konfirmierten Pfarrerskinder beiwohnten, (einige 80 Couverts
[= Gedecke d.Ü.] ) folgte nach.
Auch die Pfingstfeiertage erfreuten sich der schönsten, warmen Witterung,
und die Saat steht herrlich – Gott behüte sie!
Eine vom 9. Juni aus datierte Missive [= Verordnung .d.Ü.] theilt die Hohe
Verordnung mit, welcher zufolge die Geistlichen des Leipziger KreisdirectionsBezirkes
künftig bei ihren Amtshandlungen außerhalb der Kirche eines Baretts von
gleicher Form bedienen, das sie aber auf der Kanzel und am Altare ablegen
und sich nöthigenfalls dann eines schwarzen Käppchens bedienen sollen. Längst
hatte man sein Begehr dahin laut ausgesprochen, daß wir Leipziger. Diöcesanen
von unserem Herrn Ephorus Dr. Grossmann (jetzt, Juni, noch auf dem Landtage)
vorlängst veranlaßt wurden, ortschronicalische, die Völkerschlachttage des
Octobers von 1813 betref. zu sammeln und aufzuzeichnen – es wird auch von
mir für das Ephoral- und PfarrArchiv geschehen – bemerkte ich vielleicht
schon früher. Jetzt werden, mit Gunst der Englischen Regierung, Napoleons
Gebeine von der Insel Helena nach der Invalidenkirche in Paris abgeholt.
Der am 1. Pfingstfeiertag, dem 7. Juni, erfolgte Tod des Königs von Preußen,
Friedrich Wilhelm III., dürfte vielleicht manche politischen (und kirchlichen)
Veränderungen im In- und Auslande nach sich ziehen. Sehr rührend waren die
öffentlich. mitgetheilten Nachrichten von dem Tode des Genannten, dem Schmerz
der Seinen und der Trauer um ihr ehrwürdig Haupt, seinem Begräbnisse, seinem
Testamente, so wie der Regierungsantritt Friedrich Wilhelm des Vierten die
besten Hoffnungen erweckte.
Merkwürdig war die Feier des 4. Jubiläums der Buchdruckerkunst, welche,
wie in Mainz und andere Städten, auch zu Leipzig vornehmlich höchst glänzend
vom 24.-27. Juni – 3tägig – begangen ward, wobei vorzüglich gerühmt werden
mußte die Ordnung und Ruhe, welche durchaus den Feiernden und dem ganzen
Publiko zur größten Ehre gereichte. Ueber die besonderen Feierlichkeiten
siehe die betreffenden öffentlichen Blätter im Archiv. Ich selbst hörte
am 1. Festtage die treffliche Predigt unseres Ephorus Dr. Grossman (die
Verklärung des Gutenbergfestes im Lichte des Glaubens an eine erziehende
Weltregierung Gottes – quoad [= lat. hinsichtlich d.Ü.] Ursprung, Wirksamkeit,
Erfolge und Dauer dieser Zukunft), sah den außerordentlich glänzenden Festzug
auf dem Marktplatz, dem die Sonne gerade noch zur rechten Zeit zu Hülfe
kam, obgleich die Witterung fortwährend veränderlich, doch fruchtbar war);
zog am 2. Tage mit in die Aula der Universität zum Actus, den Prof. Dr.
Herrmann mit einer gediegenen lateinischen Rede verherrlichte, und wohnte
endlich mit meiner Familie und vielen Tausenden am Nachmittage des 26. dem
schönen Volksfeste bei, welches auf der Pfaffendorfer Breite, dem jetzigen
Exerzierplatze, gegeben ward und in Tanz, Musik, Kletterstange usw. und
Feuerwerk bestand. Kurz, bei Unzähligen aus der Nähe und Ferne werden sich
die angenehmsten Erinnerungen an diese Tage knüpfen.