75 Jahre? Sind nicht beide Kirchen im Kern über 800 Jahre alt? Aber wenn Leipzig vor 50 Jahren 850 wurde, und nun 1000 Jahre feiert,
kann ja schon ein Knoten o.ä. im Zeitverlauf sein. Doch keine Angst, es löst sich alles auf.
Es ist richtig, dass die beiden Lützschenaer Kirchgebäude über 800 Jahre alt sind. Im Laufe der Zeit änderten sich jedoch ihre Namen. Während
die Forschung im Rahmen der Innenerneuerung der Hainkirche ergab, dass sie früher eine St.-Vinzenz-Kiche war, wird die Schloßkirche eine
Marienkirche (Frauenkirche) gewesen sein.
Im Gegensatz zu Städten mit mehreren Kirchgebäuden, wo sich auch nach der Reformation die Weihenahmen zur Unter-scheidung erhalten
haben(Nikolaikirche,Thomaskircheetc.)wardasindendörflichenGemeinschaften nicht nötig, dort kam man einfach in „seiner“ Kirche zusammen.
Mit dem Zusammenschluss der politischen Gemeinden Hänichen und Lützschena im Jahr 1929 änderte sich dies. Nun hatte die Gemeinde Lützschena zwei Kirchgebäude. Die Kirch-gemeinde half sich, indem Sie weiter von der Hänicher und der Lützschenaer Kirche sprach. Im Jahr 1935 beschwerte sich darüber der nationalsozialistische Bürgermeister beim Kirchenvorstand. Dieser wollte die Sache mit dem Hinweis „zu gegebener Zeit darauf zurück zu kommen“ aussitzen, hatte damit jedoch keinen Erfolg. 1940 ging es dann auf einmal ganz schnell: am 28. März beschwerte sich der Bürgermeister ein zweites Mal, im Mai erfolgte
zwischen Kirchenvorstand und Bürgermeister eine Abstimmung zur Namenswahl, deren Ergebnis Anfang Juni zur Genehmigung bei der Suptur eingereicht
wurde. Obwohl der Superintendent die Bezeichnung „Kirche Hänichen“ besser fand, da dadurch „die Verbundenheit der Kirche mit der betreffenden
Bevölkerung wunderbar klar zum Ausdruck kommt“ und er sich „eines Lächelns nicht erwehren“ kann, „wenn die kleine Kirche von Lützschena
mit ihren Fabrikfenstern ausgerechnet den Namen ‚Schlosskirche’ erhalten soll“, kann er jedoch die Beweggründe des Bürgermeisters nachvollziehen.
Er leitet das Gesuch an das Landeskirchenamt in Dresden weiter, wo die Namen „Schloßkirche“ und „Hainkirche“ am 11. Juli 1940 - und
damit genau vor 75 Jahren - genehmigt wurden und damit in Kraft traten. Der Name „Hainkirche“ sollte an die Frömmigkeit der alten Germanen
erinnern, die sich zu ihrem Gottesdienst in Hainen zusammen fanden. Der Zusatz „St.-Vinzenz“ (2011) stellt daher ein notwendiges Korrektiv
dar.
Ebenfalls 1940 wurde durch die NSDAP-Ortsgruppe auch noch der Lützschenaer Pfarrer Otto Friedrich Kunze aus seinem Amt gedrängt, so dass dem eifrigem Gebrauch der neuen Namen nichts mehr im Wege stand.

Steffen Berlich


Schlosskirche und Hainkirche