An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom Februar 1841 - vor 175 Jahren - fort:

Februar trat ächt winterlich mit viel Schnee und einem Froste ein, der bei dem schärfstem Nordostwinde auf -11 und mehr Grad stieg, wobei auch Nebensonnen und Gallen nach Sonnenaufgang sich zeigten, wie auch andere glänzende Lufterscheinungen. Daher war mein Weg zum ersten Landprediger-Verein in Leipzig (den 2 Februar, auf welchem ich das 6 Jahre lang verwaltete Cassirer-Amt an P. [Gottlob] Herrndorf in Wahren durch Wahl abgab und M. Kornmann zum Director so wie M. Müller in Eutritzsch zum Sekretär erwählt wurden) besonders der gewaltigen Windwehen wegen, äußerst beschwerlich, gefährlich aber sogar der Weg nach Gundorf, wohin ich mich am 3. Februar zum 1. Candidaten-Verein begab: denn da mußten wir gerade durch und über Eisschollen, die mit Schnee vermengt den ganzen Damm überdeckten, steigen und klettern. Auch hat der hiesige Müller Küttner gestern leider wahrgenommen, daß die neuliche Eisfahrt sein Wehr untergraben und einen künftigen sehr kostspieligen Neubau in Aussicht gestellt hat. Einstweilen wird mit großen Sandsäcken nachgeholfen. Von nah und fern haben die örtlichen Blätter Eisfahrt und Wassernoth und Unglück gemeldet.
Seit Mitte Januar befindet sich der jüngste Sohn unseres Herrn Kirchenpatrons, Alexander von Speck, auch mein Zögling, auf der See zu Schiffe vor Leeds und Liver-pool aus nach Australien, wie er mir selbst in einem trefflichen Briefchen gemeldet. Mit Freuden will ich, wie er es erbeten, ihn einschließen in mein Gebet.
1. März trat ein, wie der vorige Monat begann und endete, ächt winterlich mit vielem Schnee und einigen Grad Kälte. Es schien nämlich zwar in der Mitte des Februar einige Tage lang, als ob auf’s Neue Thauwetter eintreten wollte, also daß man mit dem nahen Mühlwehrbau eilen mußte, und ihn auch glücklich, wenn auch mit beträchtlichen Kosten, zu Ende brachte. Allein seit Fastnachten fror und schnie es abermals dermaßen, daß es noch keinen Anschein hat, als nahe der Lenz.
Mehr aber ward der vorige Monat für unsere ganze Kirchfahrt wie für unsere ganze Familie insbesondere durch folgendes betrübende Ereignis ausgezeichnet.
Am 23. Febr. endigte in der 4. Morgenstunde ein Steck [Astma d.Ü.] - und Schlagfluß [Schlaganfall d.Ü.] die eintretenden Brustwassersuchtleiden des Nachbars und Gutsbesitzers in Quasnitz und angesehenen Bürgers, Buchhändlers und Buchdruckereibesitzers in Leipzig,Herrn Friedrich Christian Dürr,am Fastnachtsdienstage 74 1/4 J. alt, er starb zu Leipzig in seiner Wohnung, wohin er sich der näheren ärztlichen Hülfe wegen vor einigen Wochen bei häufiger wiederkehrenden Brustkrampf gänzlich zurückgezogen hatte, wo ich ihn mehrmals besuchte, ja selbst noch einmal um die Stadt fuhr. Er ward am 26. Februar Nachmittags neben seiner Gattin in der Familienbegräbnisstätte des Leipziger Friedhofs beerdigt, und empfing von mir das letzte freundschaftliche, von P. Schmid aus Albrechtshain, seinem Neffen, das letzte verwandtschaftliche Lebewohl. Ein arges Schneegestöber verhinderte leider den, dem Entschlafenen zugedachten ehrenvollen festlichen Aufzug seiner Kunstgenossen.
Wir feierten, nach seinem eigenen Wunsche, bei uns durch den Sonnabends zuvor eingeläuteten Trauergottesdienst am Sonntag Invocavit [28. Februar 1841 d.Ü.] Nachmittags 2 Uhr in der Kirche zu Hänichen, wo ich in Gegenwart mehrerer nahen Verwandten des Verewigten, Leichenpredigt (über den, vom Seligen mir längst angezeigten Text: Ps. 90 Unser Leben usw. und Abdankung hielt. Der Universalerbe und Testamentsvollzieher, Herr Universitäts-Buchdrucker Staritz aus Leipzig, ließ dafür Cantori 2 Rt. 16 gr. nebst 2 Läutebrode, Scholae 2 Rt 16 gr. Crucifero [den Träger des leichenkreuzes d.Ü.] 8 gr., der Gemeindecasse 1 Rt. Folgegeld und der Abwäscherrin 3 Rt. verehrte, so wie der Lützschenaer Kirche 1 Rt. Vorläutegeld. Derselbe wünscht sehr, das Quasnitzer Landgut, an welches sich für die ganze Familie so viel theure Erinnerungen knüpfen, behalten zu können.
Herr Dürr war ein Ehrenmann, ein alter Deutscher von ächtem Gepräge, von altem Schrot und Korn, der seine Meinung ungeschminkt und frei heraussagte, Recht und Gerechtigkeit über alles liebte und übte, und es nicht böse meinte, wenn er hitzig und heftig aufbrauste nach seinem lebhaften Temperamente und wieder gut machte und zu verbessern, was das heiße Blut verdorben hatte, dabei unermüdet thätig, ordentlich und pünktlich in seinen Geschäften, freundlich gefällig, dienstfertig gegen Jedermann, selbst mit Hintansetzung seines eigenen Vortheils, und vor allem ein Wohlthäter der Armen und Nothleidenden in Stadt und Land, dessen Gedächtnis im Segen bleiben wird. Er hat große Verdienste um Welt und Menschheit, Stadt und Land sich erworben und war als Bürger, Kunstgenosse, Geschäftsmann, Verwandter und Freund der Hochachtung, Ehre und Liebe vollkommen werth, deren er sich stets zu erfreuen hatte. Auch in unserer Gemeinde bleibt ihm ein ehrend Gedächtnis! Mit Rath und That war er allenthalben bei den öffentlichen Angelegenheiten bei der Hand; hat uns bei Einrichtung des neuen Volksschulwesens mehrere Jahre lang redlich und uneigennützig gedient, und hatt er stets den guten Willen, das Beste zu fördern. Meinem Pfarrhause war er seit den 16 Jahren seiner Gemeinschaft mit unserer Kirchfarth ein treuer Freund, welcher gleichsam zu unserer Familie gehört, gern zu uns kam, uns oft und bei manchem frohen Feste bei sich sah, Theil nahm an unseren Freuden und Leiden, den Kindern meiner Schwägerin ein treuer Vormund, ein Waisenvater ward – so daß auch wir seine Asche segnen und ihn noch lange mit Schmerzen unter uns vermissen werden. Kinder hatte er nicht, aber mehrere Pflegesöhne, deren einer, M. Friebel, ein verwaisetes Gebirgskind, ihm besondere Ehre und Freude gemacht hat und sein Pfleger mit kindlicher Dankbarkeit bis an’s Ende war.
Darum Friede seinem Staube, Vergeltung seinem Geiste!