An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom Mai 1841 - vor 175 Jahren - fort:

13. Mai.
Es ist wieder still geworden im Pfarrhause, nachdem ihm vorgestern wieder ein schönes, lobensvolles Familienfest gekommen war. Da traute ich nämlich meine Cousine und 3jährige Hausgenossin Agnes Erdmann (deren älteste Schwester, Louise, ach, sie welkt jetzt schwindsüchtig dem Grabe zu! – ich vor 6 Jahren mit dem Pfarrer Geucke in Crösuln verband) mit Herrn Magister Kunad, Diaconus in Taucha. Herrliche Witterung (überhaupt ist dieses Frühjahr durch seltenes anmuthiges Wetter ausgezeichnet, daher Alles früh sich entwickelt hat) begünstigte diesen Tag, Dienstag, an welchem zahlreiche Verwandte und Freunde sich bei uns zusammenfanden. Gegen 12 Uhr war die Trauung in der mit Blumenguirlanden sehr schön verzierten Kirche. 6 Prediger im Ornate zogen mit mir dahin. Manche besonderen Umstände, deren ich zu gedenken hatte, bewegten Aller Herzen tief. Dann genossen wir an 2 Tafeln in den Oberstuben – einige 40 Personen – das heitere Hochzeitsmahl, und erst der Abend führte alle Gäste ihrer Heimath zu. Auch unser liebes Fräulein Anna nahm Theil an unsrer frohen Feier.
29. Mai.
Es ist Pfingstheiliger Abend und das Fest wie der Monatsschluß nahe. Die Witterung hat noch immer, nur am Himmelfahrtstage und Dienstag zuvor von einem Gewitter-gusse unterbrochen, bisher ausgehalten bei hohem Wärmegrad, doch sehr aus-trocknendem Morgenwinde, daher wir nach neuem Regen schmachten. Doch gehört dieß Frühjahr in Ansehung. seiner schönen, fruchtbaren Witterung zu den höchst seltenen, wie man sich eines solchen seit lange nicht erinnert.
Ich habe der Gemeinde Lützschena erlaubt, daß sie in den NO. Winkel meines Gar-tens das Sturmfaß [Fass, in dem Fall eines Feuers, das Löschwasser angefahren wurde d.Ü.] unter ein Dach stellt, was heute geschieht (wofür ich aber einen Vorbe-halt vom Gemeinderathe mir erboten und im Pfarr-Archiv niedergelegt habe). Auch ward in diesen Tagen der neue Bauernsteg fertig, da die Eisfahrt den letzten mitge-nommen hatte.
Mir brachte die zu Ende gehende Woche viel körperlichen Schmerz: am Dienstag ließ ich mir von der geschickten Hand des Herrn Dr. Elze in Schkeuditz eine Balgge-schwulst [Zyste d.Ü.] auf dem Kopfe ausschneiden, welche seit Kurzem sich mehr ausgebildet und die Größe einer Nuß erlangt hatte. Noch heute ist die Wunde nicht ganz heil, und in den ersten Tagen konnte ich meinen Geist nur mit Kirchenrech-nungssachen vom körperlichen Schmerzgefühle abziehen. Soeben bin ich mit dem Manuale [Nicht chronologisch sondern sachlich geordnetes Kassenbuch für Ausga-ben und Einnahmen d.Ü.] beider Kirchen-Rechnungen von 1840/1 zu einem er-wünschten Ende gekommen, und doch herzlich froh. (Die Hänicher Kirche hat nun 8000 Rt. Vermögen, die Lützschenaer noch nicht so viele hundert!)
Morgen wird ein neuer Cymbel [Klingelbeutel d.Ü.] in hiesiger Kirche paradieren, den meine Lina aus vorhandenem rothen Sammet gefertigt hat.
Uebermorgen habe ich 2 Trauungen, darunter eine schwierige, wegen Ausländer (s. Verlobgsprotokoll. nr. 17) und eine Leipziger, zwischen beiden die angemeldete Tau-fe eines Kindes, welches die altlutherischen Eltern aus Dürrenberg nach der alten Agende getauft zu haben wünschen, wozu die Erlaubnis ihres geistlichen Vorgesetz-ten (Ephorie Vicar von Lützen) mitbringen. (P.S. Diese altlutherische Taufe ward un-ter sichtbar gerührtester Theilnahme der Eltern, Pathen und andrer Freunde dieser Familie, Nagelschmied Korhammer, von mir vollzogen.)
Die Witterung, welche noch am 1. Pfingstfeiertage so schön und warm gewesen, schlug am 27. um, Gewitter zogen nach Tische heran, von starkem Regengusse be-gleitet, den die vielen Hunderte, welche mit der Eisenbahn aus Leipzig kamen (ihrer sollen an 1.500 gewesen seyn!) sehr zum Theil in Verlegenheit brachte, zumal die Rückfahrt bis nach halb 10 Uhr verspätigt ward.