Lützschena und Villa Sternburg (Teil2)

Beitragsfolge, die sich mit dem Gut Lützschena, der Geschichte der Familie ternburg und der Sternburg Brauerei beschäftigt.

Familie Speck von Sternburg

Ursprung des Namens der Familie Speck: ein aus Appenzell (Schweiz) stammender Schäfer soll Speck nach Rüppurr, ein Ortsteil von Karlsruhe, gebracht haben. Man nannte diesen Schweizer den Speckbringer, den Specker, also hieß er Speck.
Im Spanischen Erbfolgekrieg soll der Reitknecht Johann Ludwig Speck 1714 das Leben des badischen Markgrafen Karl Wilhelm, Gründer von Karlsruhe, gerettet haben. Johann Ludwig Speck (geb. 16.08.1691, gest. 11.06.1755) war Sohn des Hans Jacob Speck, Vorfahr des späteren Freiherrn Maximilian Speck von Sternburg. Johann Ludwig Speck wurde später Jäger beim freien Edlen von Stetten (oberhalb von Kocherstetten am Kocher).
Dem Waidmann Johann Ludwig Speck und seiner Ehefrau Maria Ursula wurde am 23.05.1732 in Vogelsberg bei Kocherstetten der Sohn Maximilianus Leonhard Adam Speck geboren. Maximilianus Leonhard Adam Speck konnte später seinen Herrn von Stetten, der 15 Jahre älter war, bei Reisen ins Sachsenland begleiten. Hier lernte Speck in Lorenzkirch bei Strehla Anna Christine Waldenberger kennen. Sie war die Tochter eines Bauern aus Klossa bei Schweinitz an der Schwarzen Elster. Sie heirateten 1773.
Der ehemalige Jägersmann Maximilianus Leonhard Adam Speck wurde Gastwirt “Zum Schifflein“ in Gröba bei Riesa an der Elbe. Ihnen wurde der Sohn Maximilian Speck am 30.07.1776 in Gröba geboren, der später Gutsherr in Lützschena wurde.

Freiherr Maximilian Speck von Sternburg

Der junge Maximilian Speck wuchs in der Gastwirtschaft in Gröba in ländlicher Umgebung auf. Auf der Elbe war ein reger Schiffsverkehr. Den Schiffsleuten, die in der Gastwirtschaft einkehrten, hörte er gern zu. Er arbeitete mit in der Wirtschaft und lernte beim Kassieren das Rechnen. Außerdem betreute er Schafe und Federvieh. Erst mit 14 Jahren kam er in die Schule, zunächst nach Gröba, dann nach Beucha. Der junge Maximilian war hochbegabt, lernte sehr schnell.
Mit 15 Jahren kam er nach Leipzig in eine Textilhandlung mit Schulbildung. Dort erhielt er Unterricht in allgemeiner Bildung, in Geografie und Geschichte, in Biologie und Technologie. Er erlernte die französische und die englische Sprache. Kunst und Musik hatten es ihm angetan, er spielte auf drei Instrumenten. Mit 20 Jahren 1796 war er Korrespondent in französischer und englischer Sprache für den Textilhandel in der Beyerschen Wollhandlung zu Leipzig.

Maximilian Speck unternahm viele Geschäftsreisen nach Köln, Brüssel, Paris und 1807 bis Bordeaux. Bereits 1807 wurde er Teilhaber des namhaften Handelshauses Beyer. Seine Arbeitsstätte war die Reichsstraße, Ecke Schuhmachergässchen in Leipzig, das Haus erwarb er 1815, der jetzige “Specks Hof“. Speck lernte die spanische Schafzucht und den Wollhandel kennen. Schon 1765 wurden in Sachsen 220 Merinoschafe aus Spanien eingeführt. Die Kriege Napoleons 1806-1813 schädigten den Wert des spanischen Wollhandels. Deshalb glaubte Speck an sächsische Wolle. Da Speck auf dem Land aufgewachsen war, kannte er sich mit Schafen aus. Er gründete Schafzuchtvereine und belieferte Wollmärkte. Aus Spanien kam die weiße Wolle, aus Sachsen kam dann die graue Saxonia-Wolle. Wolle und Tuche wurde nach England und bis nach Amerika ausgeführt. Die Landwirtschaft in Lützschena expandierte.

Am 22.04.1811 heiratete Maximilian Speck Charlotte Elisabeth Hänel von Cronenthal, sie stammte aus der Patrizierfamilie Hänel, die mit französischer Seide handelte.
Das Handelshaus Beyer und Co. wurde 1818 aufgelöst und Speck gründete die eigene Firma unter dem Namen “Wollhandlung und Kommissionshandel niederländischer Tuche“. Speck kannte die Anforderungen des Wollmarktes. Daher widmete er sich der Zucht von Elektoralschafen.
Die Tuche, die aus der Wolle der besonders gezüchteten Schafe hergestellt wurden, nannte man in England “Elektoral“ (Latein: electus = auserlesen, ausgewählt). Die Zucht dieser Schafe auf dem Gut Lützschena hatte in Europa einen sehr guten Ruf. Dieser drang bis nach Russland. Speck wurde von Kaiser (Zar) Alexander I. eingeladen, im Russischen Reich die Schafzucht zu optimieren und Musterzüchtereien einzurichten. Speck begab sich 1826 auf eine längere Reise nach Russland und hatte persönliche Begegnung mit dem Zar, den er bereits 1813 nach der Völkerschlacht in Leipzig kennengelernt hatte. Beide verstanden sich prächtig, beide waren Kunstkenner. Speck hatte schon früh angefangen, wertvolle Gemälde zu kaufen und sie in seinem Gut zu präsentieren.
Die Reise mit der Kutsche durch das Russische Reich war sehr beschwerlich. Einmal gingen die Pferde durch, die Kutsche fiel um und Speck wurde aus dem Wagen geschleudert. Das war der Grund für den vorzeitigen Abbruch der Reise. Alexander I. verlieh dem Kaufmann, Landwirt und Schafzüchter Maximilian Speck für dessen Arbeit und Erfolge den Wladimir-Orden, das war gleichbedeutend mit dem niederen Adelstitel, Speck durfte sich nun Maximilian Ritter von Speck nennen.
Auch in Bayern hörte man von Speck, dem Schafzüchter. Ihm wurde das Gut Fürstenried zur Pacht angeboten. Aus diesem Gut machte er bald ein ertragreiches Landwirtschaftsgehöft mit Schafzucht. Speck fühlte sich sehr wohl auf dem Gelände, es war für ihn eine sichere Burg, über der ein Stern leuchtete. Zwischen dem König Ludwig I. von Bayern und Herrn Speck bestand eine gegenseitige Sympathie, beide waren Kunstkenner, besonders der Malerei. Der König von Bayern verlieh dem vorzüglichen Landwirt und in Anerkennung dessen um die Wandlung der Schafzucht 1829 den Adelstitel Freiherr von Sternburg. Der Rittergutsbesitzer von Lützschena durfte jetzt den Namen Maximilian Ritter von Speck Freiherr von Sternburg tragen.

Geschichte der Brauerei Sternburg

Das Bier von Lützschena wurde schon vor dem Jahr 1750 gebraut und es galt als berühmt. Der Ausschank des Lützschenaer Bieres erfolgte im Burgkeller von Leipzig bereits 1795. Maximilian Speck hatte 1822 das Rittergut Lützschena mit Brauerei gekauft, betrieb die Brauerei weiter und errichtete 1826 den Gasthof neben der Brauerei.

Im Jahr 1829 kaufte Speck von Sternburg das Klostergut St. Veit, bei Neumarkt an der Rott, gelegen an der Handelsstraße zwischen Landshut nach Salzburg. Das Klostergut war verfallen, aber Speck machte das Gut zum Mustergut. Auch hier pflegte er die Schafzucht und den Hopfenanbau, da ihm auch die Bierbrauerei sehr wichtig war. Die Brauerei in der Klosterschule war schon 1497 als sehr gut benannt worden. Obwohl es 1802 zur Auflösung der ehemaligen Benediktiner-Abtei kam, funktionierte die Brauerei weiter; denn sie hatte einen guten Braumeister. Diesen überredete Speck, seine Bierbraukenntnisse in Lützschena anzuwenden. Speck von Sternburg wollte jetzt eine moderne Brauerei. So kam auch ein Techniker aus dem Augustiner-Brauhaus in München nach Lützschena. Er legte die technischen Grundlagen für eine neue zeitgemäße Brauerei. Das alte Brauhaus neben dem Gutshof wurde 1834 geschlossen und die moderne Brauerei neben dem neuen Gasthof an der Landstraße nach Schkeuditz eröffnet. Leipzig hatte damals 47.000 Einwohner. Das Bier der Sternburg-Brauerei wurde in Lützschena und in Leipzig gern getrunken. Viele Einwohner von Lützschena fanden in der Sternburg-Brauerei Arbeit und somit war das die Existenzgrundlage für viele Bürger.

Die sprunghafte Entwicklung Lützschenas ist Maximilian Speck von Sternburg zu verdanken. Er war ein Naturfreund, gestaltete Gut, Land und Park nach seinen Erfahrungen, die er in vielen Reisen gewonnen hatte. Er musste Sumpf und Wasserläufe umbauen und gestalten. Im Park von Lützschena gibt es Übergänge von gepflegter Anlage zur wilden Natur, aber alles harmonisch. Dämme wurden gebaut, um Hochwasserschäden zu verhindern.
Speck von Sternburg schätzte die Malerei. Er wollte Landschaft, Park und Gemäldegalerie, die er im Schloss anfangs untergebracht hatte, allen Menschen zugänglich machen. Daten belegen, was sich in Lützschena veränderte: 1834 neue Brauerei, 1844 kleine Schule errichtet, 1847 Eröffnung einer Schul- und Dorfbibliothek, 1851 Gründung einer landwirtschaftlichen Lehranstalt. Das Schloss in Lützschena wurde 1864 gebaut.
Danach wurde1877 ein neues Schulgebäude in Lützschena errichtet, das spätere Postamt. Ab 1889 gab es eine Verkaufsstelle und 1899 wurde die Freiwillige Feuerwehr in Lützschena gegründet und vieles mehr. Seine umfangreiche Gemäldesammlung brachte er in einem neuen Gebäude unter, der sogenannten „Villa Martha“. Dieses Gebäude befindet sich heute in der Straße Zum Bildersaal.

Der jüngste Sohn von Maximilian war der 1821 in Leipzig geborene Alexander. Er verlebte die Kindheit auf dem Gut in Lützschena, lernte früh das Landleben kennen und hatte Interesse für die Natur und Technik. Als junger Mann lebte er mehrere Jahre in Australien, betrieb dort Schafzucht. Im Jahr 1844 kam er nach Europa zurück und gründete 1849 in Leeds, 300 km von London entfernt, eine eigene Firma, welche die großen Tuchfabriken mit Rohmaterial belieferte. Die besten Wollsorten nannte der junge Freiherr “Saxon-Wolle“. Alexander war ein eleganter Mann und ein sehr guter Kaufmann im internationalen Wolle-Handel.
Als der Vater Maximilian Speck von Sternburg 1856 starb, übernahm Alexander sofort das Lützschenaer Gut und die Brauerei. Er setzte sich sehr für technische Neuerungen ein. Der Dampfbetrieb in der Brauerei wurde 1876/77 eingeführt, die Sudhauseinrichtung verbessert und ein weiterer großer unterirdischer Lagerkeller angelegt sowie eine Darre für die Mälzerei neu gebaut. Die Brauerei führte nun den Namen “Freiherrlich Sternburgsche Brauerei“.

Im Jahr 1883 übernahm James Alexander von Sternburg, geboren 1856 in Leeds, Sohn von Alexander, die Leitung des Brauhauses. Gutsverwaltung und Brauerei waren nun getrennt. Die Brauerei hieß nun ab 1912/13 “Brauerei Sternburg GmbH“. Viel Neues geschah in Lützschena. Ab1892 wurde der Flaschenbierversand eingeführt. Seit 1905 fährt die Leipziger Straßenbahn bis nach Lützschena, ab 1910 wurde sie bis Schkeuditz weitergeführt. Die Brauerei wurde weiterhin ständig modernisiert. Im Jahr 1911 verstarb Alexander von Sternburg. Der dritte Majoratsherr James Alexander von Sternburg hatte sich sehr um die Zukunft der Brauerei gekümmert. Leider starb er sehr früh mit 60 Jahren im Jahr 1916.

Unter der Leitung des vierten und letzten Majoratsherrn von Gut und Brauerei Lützschena, Herrn Gustav Harry Freiherr Speck von Sternburg, Sohn von James Alexander, entstanden in den Jahren 1926-1928 die letzten gewaltigen Umbauten des Lützschenaer Brauhauses. Dominant war das neue Sudhaus mit seinem weithin sichtbaren Kupferdach, neben dem Bismarckturm das Wahrzeichen Lützschenas. Dazu kam das Werkstattgebäude mit dem Uhrturm, bis heute ein Zeugnis einstiger wirtschaftlicher Blüte der Brauerei und moderner Industriearchitektur.

Nicht zu vergessen sind auch die Verdienste des Senators Oswald Winde. Dieser 1864 in Bunzlau (Schlesien) geborene Braumeister kam 1890 nach Lützschena und wirkte über 50 Jahre als technischer und ökonomischer Betriebsführer der Brauerei Sternburg. Die Brauerei wurde als vorbildlich sozial geführter Betrieb eingeschätzt, es gab bereits eine Betriebsküche. Am 27.06.1901 wurde die Betriebskrankenkasse Brauerei Lützschena gegründet. Kurt von Funcke war durch die Heirat mit Vera von Sternburg der Schwiegersohn vom Brauereibesitzer James Alexander von Sternburg. Funcke hatte Chemie studiert. Er übernahm ab 1906 als zweiter Direktor und Prokurist in der Brauerei Führungsaufgaben bis zur Enteignung 1945.

Der letzte Majoratsherr von Gut und Brauerei Lützschena, Gustav Harry Freiherr Speck von Sternburg, wurde 1939 als Rittmeister der Reserve in den Kriegsdienst eingezogen. Die Brauerei wurde von Generaldirektor Kurt von Funcke verwaltet. Amerikanische Truppen kamen am Ende des 2. Weltkrieges, im April 1945, nach Lützschena. Ab August 1945 wurde die Region sowjetische Besatzungszone. Die Ländereien und der Schlosspark, bis dahin Eigentum der Familie Speck von Sternburg, fielen unter die Bodenreform. Aus den Ländereien wurde später die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG). Die Sternburg Brauerei kam unter Kontrolle der sowjetischen Militärverwaltung. Am 1.Juli 1947 wurde sie in deutsche Hände zurückgegeben. Ab dieser Zeit war die Brauerei ein Volkseigener Betrieb (VEB). Die Brauerei produzierte weiter und entwickelte sich zu einem Exportbetrieb. Das Sternburg-Bier wurde gern getrunken.

Noch im Jahre 1989 wurden in der Brauerei von fast 500 Beschäftigten jährlich 500.000 Hektoliter Bier produziert. Die Brau- und Brunnen AG mit Sitz in Dortmund bekam die Brauerei von der Treuhandgesellschaft zur Abwicklung der volkseigenen Wirtschaft übereignet. Proteste von Belegschaft, Gemeinderat, Familie von Sternburg und der evangelischen Kirchgemeinde konnten die Schließung der Brauerei am 31.August 1991 nicht verhindern. Der größte Arbeitgeber in der Gemeinde Lützschena fiel weg. Fast alle Brauereimitarbeiter wurden arbeitslos. Aus angeblich technischen Gründen wurde die Produktion des Lützschenaer Bieres in das damals ebenfalls zum Konzern gehörende Leipziger Brauhaus Reudnitz verlegt.

Die Brauerei Reudnitz hat auch eine lange Tradition. Seit 1862 wurde in dem Dorf Reudnitz bei Leipzig Bier gebraut. Nach 2006 besann sich die Brauerei Reudnitz, die zur Radeberger Biergruppe gehört, des guten Bieres unter dem Namen Sternburg. Unter diesem Namen Sternburg genießt die Marke hohen Kultstatus. Das Bier wird nun wieder getrunken, welches seit 1834 unter diesem Namen “Sternburg“ in Lützschena gebraut wurde. Allerdings kommt das Sternburg-Bier nicht mehr aus Lützschena. Zurückgeblieben ist in Lützschena aus dem großen Industriegelände und der weithin sichtbaren Brauerei, auf die Einwohner stolz waren, eine Industrieruine, die mehr und mehr verkommt.

Dr. med. Anni Neumann

Quellenangabe:
Daehne, Paul (1940). Lützschena im Wandel der Welt. Leipzig: Graphische Kunstanstalten J.J. Weber.
Universallexikon, Band 1-5 (1985). Leipzig: VEB Bibliographisches Institut.
Pro Leipzig e. V. (1999). Lützschena. Eine historische und städtebauliche Studie. Leipzig: Klingenberg Buchkunst Leipzig GmbH.
Förderverein Aktionsgemeinschaft „725 Jahre Lützschena“ e. V. (2003). Festschrift 725 Jahre Lützschena. Halle (S): IMPRESS Offsetdruckerei.
Das neue Universallexikon (2008). Gütersloh/München: Bertelsmann.
Graf, Gerhard (2012). „ … des Krieges Elend“. Leipzig: Werbeagentur Kolb.