Lützschena-Stahmeln und die Eisenbahn
Folge 4
Bereits vor dem 1. Weltkrieg begann der elektrische Zugbetrieb auf einigen Strecken in Mittel-deutschland. Für deren Stromversorgung wurde das Bahnstrom-Kraftwerk Muldenstein bei Bitterfeld 1912 in Betrieb genommen. Bis zu seiner Stilllegung 1994 lieferte es Einphasenwechsel-strom 15.000 V und 16⅔ Hz. Am 1. Juni 1922 stand auch die Strecke von Leipzig nach Halle unter Strom. Zunächst setzte die Deutsche Reichsbahn lokbespannte Züge im Nahverkehr zwischen den beiden benachbarten Großstädten ein. Der Lokwechsel in Leipzig – der Hauptbahnhof ist ja ein Sackbahnhof – erwies sich als aufwändig und teuer. Die Reichsbahn gab daher bei der ehemaligen Waggonbaufirma Wegmann & Co. In Kassel sechs Triebwagen und drei baulich weitgehend gleichartige Steuerwagen in Auftrag, die 1928 ausgeliefert wurden und die man sofort im Fahrplan-betrieb zwischen Leipzig und Halle einsetzten.
Ihre Höchstgeschwindigkeit betrug 100 km/h und in der 2. und 3.Klasse besaßen sie 66 Sitzplätze. Als Eil-züge hielten sie nur in Schkeuditz, als Personenzüge aber auf allen Stationen der Strecke. Nach und nach gingen sie aber verloren und der letzte von ihnen wurde am 27. Januar 1945 bei einem Luftangriff auf Leipzig zerstört.
Am 10. April 1945, also kurz vor dem 18. April, als die 69. Infanteriedivision
der 1. US-Armee Leipzig besetzte, wurde der Rangierbahnhof in Wahren mit
Bordkanonen und Bomben angegriffen. Gegen 21:45 Uhr gab es Alarm und wenig
später wurden Gebäude zerstört, die Gleise ruiniert, Güterwagen und Lokomotiven
umgeworfen, Brände entstanden und Munition explodierte. Noch lange danach
detonierten Bomben mit Zeitzündern. Unlängst fand man bei Bauarbeiten Bomben,
die mehr als 70 Jahre in der Erde lagen und gesprengt werden mussten.
Eine Folge des Krieges war, dass die Gleise 1945 teilweise zurück gebaut wurden und sämtliche Fahrleitung in Mitteldeutschland demontiert und als materielle Reparationsleistungen in die Sowjet-union gebracht wurden. Auch Elektroloks wurden dorthin gebracht, die aber nur auf Teilen der sowjetischen Staatsbahnen mit 1.435 mm Spurweite eingesetzt werden konnten, denn üblich ist dort die Breitspur von 1.520 mm. Einige Loks landeten auf einem Abstellgleis des BW Leipzig-Wahren, denn ohne Fahrstrom waren sie nicht einzusetzen.
Im Dezember 1950
wurden Verhandlungen mit der Sowjetunion aufgenommen, um die abgebauten,
in Russland nicht nutzbaren und teilweise unter freiem Himmel lagernde elektrische
Ausrüstung sowie die beschlagnahmten Lokomotiven zurückzuerlangen. Als Austausch
wurden 355 Weitstreckenwagen aus dem VEB Waggonbau Ammendorf geliefert.
Am 20.12 . 1958 war auch die Strecke von Leipzig nach Halle wieder elektrifiziert.
Jetzt konnte der Zugbetrieb mit E-Loks aufgenommen werden die aus der Vorkriegszeit
stammten, so wie diese schwere Güterzuglok der Baureihe E 94.
In der DDR wurden eigene Elektroloks der Baureihen E 11 und E 42 im VEB
Lokomotivbau in Hennigsdorf (LEW) hergestellt, von denen heute noch viele
im Einsatz sind. Ab und zu kann man sie noch sehen, wenn sie mit Güterzügen
in Lützschena durchfahren.
Text: Horst Pawlitzky
Fotos: Lokmagazin 01/2012
Wikipedia
ET 41 für den Vorortschnellverkehr Halle—Leipzig
und Leipzig—Dessau