An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag für den Monat Januar 1843 - vor 175 Jahren – fort:

4. Januar
Das neue Jahr hat uns sogleich den Winter wieder gebracht, erst Schnee, dann Frost, gestern erst mit 2-3°, heute schon 8° Kälte, dabei prächtiger Himmel und schöne Winternatur (5. 2° K.)
16. Januar
Nicht lange hat auch dieser winterliche Rückfall gewährt; Sturm und Regen und neuer Schnee – wahres Aprilwetter oft – hat bisher abgewechselt. Diese ungesunde Zeit mag wohl viel Antheil an den herrschenden häufigen, selbst entzündlichen Krankheiten haben; auch mein Pfarrhaus hat im neuen Jahr schon solche Noth erfahren, nur daß sie bisher gnädig vorüberging. Nachdem wir alle die Größeren mit Schnupfen und Husten usw. arg geplagt worden sind, ist heute auch mein Reschen von Halsweh befallen worden, so daß ich gegen Abend mit der Gelegenheit des nach der Stadt zurückfahrenden Herrn Barons jemand noch an unsern Hausarzt Dr. Göpel geschickt habe.
In Gundorf und Wahren haben jetzt die natürlichen Blattern Todesfälle herbeigeführt, doch minder als näher bei Leipzig, besonders in Stötteritz.
Heute habe ich den Unterricht meiner dießjährigen 22 Confirmanden begonnen.
Morgen werde ich unsern ersten LandpredigerVerein in Leipzig besuchen, obgleich der Schnupfen mich noch sehr plagt. Vorgestern hielt ich Schul-Visitation in Gundorf.
27. Januar.
Ein beklagenswerthes Ereignis hat sich gestern in Quasnitz zugetragen:
Der Schriftschläger Johann Gottfried Frehle, der vor einigen Jahren mit einer Frau und 5 Kindern aus Burghausen nach Quasnitz gezogen war, ward am Dienstage bei der Rückkehr aus dem königlichen Walde vom Gendarmen ertappt, wie er etwa 1 Mandel [ 15 Stück d.Ü.] Faß-Reifstöcke mit nach Hause nahm, wohl, um sie weiter zu verhandeln. Nicht nur dieses, sondern auch alles andere, selbst trockene vorgefundene Holz nahm ihn nun dieser Tags darauf weg, und übergab es dem Hänicher Richter, nachdem Frehle bei Nacht einen Theil jenes Nußholzes nochmahls entwendet, und dadurch den Gendarment erst völlig erbittert hatte (obgleich die Seinigen nichts davon wissen wollten). Sowohl nun die Furcht vor der Strafe, als die Schaam, nun selbst vor dem Kreisamte als Verbrecher zu erscheinen, nachdem kurz zuvor sein Sohn daselbst in Untersuchung gewesen war, weil er sich hatte verleiten lassen, von einer Stolle zu essen, die vom Hirtenjungen in der Schenke entwendet worden war, – und der Blick auf seine zahlreiche, dem Mangel und Froste Preisgegebene Familie: das alles war eine Bürde, die den sonst heitern und um seiner sonstigen guten Eigenschaften willen beliebten Mann erdrückte und verwirrte. Kurz, gestern früh weiß er seine (schwangere!) Frau in einem häuslichen Geschäfte nach Gohlis zu schicken, kehrt halb 10 Uhr aus dem Walde zurück, schneidet sich von einer Waschleine ein Stückchen ab, vertauscht seine guten mit schlechten Stiefeln, nimmt dann weinend von seinen Kindern Abschied, und, nachdem er noch einem ihm begegnenden Knechte traurig geantwortet, daß er nun ganz geschlagen sei, geht er hin und – erhenkt sich! Erst nach einigen Stunden findet man ihn Nachmittags, und natürlich rettungslos todt! Heute haben die Kreisamtlichen Gerichte seinen Leichnam besichtiget, und seine Bestimmung für das anatomische Theater zu Leipzig verfügt. Da nun die Wittwe (die ich zu trösten verpflichtet und beflissen war) dagegen sich nicht gesträubt hatte: so unterließ ich, mich für das stille Begräbniß dieses Unglücklichen, der keineswegs ein gottloser, unkirchlicher Mensch war, bei meiner Behörde zu verwenden. Die letzte Beichte zu Quasnitz im alten Jahr war – seine jüngst geborene Tochter!
Nach einer mäßigkalten Woche ist zwar wieder etwas Schnee gefallen; der Regen aber hat ihn bereits wieder weggespült. So bleibt der gegenwärtige Winter wider Verhoffen äußerst veränderlich und im Ganzen sehr mild, zum Glück für Menschen und Thiere.