An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag für den Monat August 1843 - vor 175 Jahren – fort:

 

5. August.

Einige wichtige und genussreiche Wochen sind wieder vorübergegangen, und ich kann mit umso größerer Befriedigung nunmehr auch hier Einiges aufzeichnen, als ich eine schwere Arbeit – meine vorletzte Circular-Predigt zu St. Thomä in Leipzig – glücklich vollbracht habe. Ich hielt dieselbe vorgestern früh, Donnerstags nach 7 Uhr, vor ziemlicher Versammlung von Bekannten und Unbekannten (obgleich noch immer der unschickliche Gebrauch herrscht, dass die Communicanten während der Predigt zu ihrer Beichtandacht gelassen und gerufen werden in die Beichthäuser); Herr Superintendent Dr. Grossmann war nicht zugegen, sondern noch auf dem zu Ende eilenden Landtage in Dresden, sein Stellvertreter: der Johanniskirchprediger M. Kritz; ein fataler Kitzelhusten [= Reizhusten d.Ü.], der mich vor der Predigt sehr ängstigte, wich bei der heiligen Arbeit im Namen Gottes und Jesu zur Erbauung der Gemeinde gänzlich, so dass ich auf’s neue die beglückende Erfahrung machte: »die Kanzel sei ein gesund(machend)es Holz«. Auch dießmal übernachtete ich bei meinem ehrwürdigen alten Freunde, dem gewesenen Raths-Actuar [= Gerichtsschreiber d.Ü.] Weinich, und befand mich da abermals sehr wohl. Nachmittags eilte ich, das Fischerstechen und vorgängige gewöhnliche Prozession nicht beachtend, nach Eutritzsch, um meine lieben Verwandten mit mir nach Lützschena zu nehmen; allein kaum war ich bei P. Kunads angekommen, als ein heftiges Ungewitter mit Blitz und Donner und Platzregen losbrach, und unser Vorhaben vereitelte. Doch wurde die in gegenwärtiger Woche angefangene Ernte für diesen Nachmittag unterbrochen, und noch sind unsere Aussichten die besten; lange war die Witterung nicht so fruchtbar. Aus unserm Garten konnten für mehrere Thaler Erdbeeren und Johannisbeeren verkauft werden.

Am 9. Juli hatte ich für P. Herrnsdorf, der mit seiner ganzen Familie zu seinen Geschwistern in Wilsdruf und Döbeln verreist war, in Wahren ein trauriges Amtsgeschäft zu besorgen: das öffentliche Begräbniß eines Jünglings, C. A. Petsche, der ein Paar Tage zuvor bei’m unvorsichtigen Baden in der sehr angeschwollenen Elster verunglückt, und bei Scherbitz aufgehoben worden war.

Am 26. Juli besuchte ich, nach Verlauf einiger Jahre, wieder einmal meine Geschwister in Grimma, im auf ihre Einladung am 27. der festlichen Erinnerung an die vor 400 Jahren erfolgte Geburt des Stammvaters unsers jetzigen geliebten Fürstenhauses, Herzog Albert des Beherzten [Albrecht der Beherzte (1443-1500), Stammvater der Albertiner; zweiter Sohn Kurfürst Friedrichs des Sanftmüthigen, Bruder von Ernst, dem Stammvater der Ernestiner, mit dem er 1455 durch Kunz von Kaufungen geraubt wurde d.Ü.], im dasigen Schlosse beizuwohnen; und genoß da einige sehr frohe Stunden im Wiedersehen meiner freundlichen zweiten Vaterstadt (wo gerade Königsschießen war) und manches daselbst lebenden Freundes. Das nahende Schulfest wird noch einmal dahin rufen, hoffentlich in Begleitung meiner lieben Hausehre [ = die Hausfrau, weil sie dem Hause Ehre und Ansehen gibt d.Ü.]. Auch naht unsers Reschens Geburtstag: mit Gottes Hülfe wird sie auf den 18. August schon 2 Jahre alt, und ist unsere tägliche Wonne, die uns der Allergütige erhalten wolle!