Auen-Kurier Mai 2003

Historisches aus der Illustrirten Zeitung von 1854 und 1857
Die Landwirtschaftliche Lehranstalt in Lützschena

Seit dem März 2003 besteht in Leipzig ein neuer kleiner aber feiner Verlag. Dr. Mark Lehmstedt gründete ihn. Von 1983 bis 1991 hat er an der hiesigen Universität Germanistik studiert und gelehrt. Er promovierte zur Geschichte des Leipziger Verlagswesens. Sein Buchprogramm besinnt sich auf die kulturellen Werte der Messestadt. Die Titel konzentrieren sich in anspruchsvoller Gestaltung auf die vielfältigen Themen der Kulturgeschichte Leipzigs. Da gibt es eine "Gelbe Reihe", in deren Mittelpunkt historische Gebäude stehen und eine "Blaue Reihe", die noch nicht weithin bekannte oder gar vergessene Persönlichkeiten aus der hiesigen Geschichte vorstellt.
Johann Jakob Weber gründete die erste Illustrierte
Unter den ersten Titeln, die im Lehmstedt Verlag erschienen, befindet sich auch eine reich bebilderte Biographie des Leipziger Verlegers Johann Jakob Weber (1803-1880), der 1843 in Leipzig die erste illustrierten Presse in Deutschland begründete. Die "Illustrierte Zeitung" erschien bis 1944 als Wochenzeitung mit mehr als 5000 Ausgaben. Der Enkel, Wolfgang Weber (1879-1938), hat die Biographie seines Großvaters geschrieben. Er macht mit dem Leben und Wirken des Verlegers vertraut und vermittelt überraschende Einblicke in den redaktionellen und technischen Entstehungsprozess einer Illustrierten von 150 Jahren. Die Biographie erschien im Lehmstedt Verlag in einer Neuauflage aus Anlass des 200. Geburtstags von Johann Jakob Weber am 5. April 2003.
In der Ausgabe der "Illustrierten Zeitung" vom 16. September 1854 findet sich ein erster Beitrag über die von Maximilian Ritter von Speck Freiherr von Sternburg gegründeten Landwirtschaftlichen Lehranstalt. Nachstehend veröffentlichen wir den Wortlaut des Artikels:
Landwirthschaftliche Lehranstalt in Lützschena bei Leipzig *)


Der außerordentliche Aufschwung der sächsischen Landwirthschaft hat längst die Aufmerksamkeit des Auslandes erregt, und sowohl das Königreich Sachsen als die preußische Provinz Sachsen dürften sich in dieser Beziehung selbst Belgien und England zur Seite stellen. An wenigen Orten ist aber wohl mehr geschehen, als in dem nahe bei Leipzig gelegenen Lützschena. Nicht nur, dass der als tüchtiger Landwirth und landwirtschaftlicher Schriftsteller allbekannte Besitzer des dortigen Ritterguts, Baron von Speck-Sternburg, seit langen Jahren keine Kosten und keine Mühe gescheut hat, seine Wirtschaft auf einen Höhepunkt zu bringen, wie wohl Wenige, sondern es werden dort landwirtschaftliche Versuche in Bezug auf Fütterung, Düngung und sonstige in das Gebiet der Landwirtschaft schlagende Angelegenheiten gemacht, und Direktor Bruns hat einen landwirtschaftlichen Verein ins Leben gerufen, der aus der Umgebung, auch aus den benachbarten preußischen Ortschaften sehr zahlreich besucht wird. Dazu hat der Baron ein landwirtschaftliches Museum und eine landwirtschaftliche Bibliothek errichtet, woraus schon gar mancher Landwirth Nutzen und Belehrung geschöpft hat.
Es war daher gewiss ein sehr glücklicher Gedanke, hier in Lützschena eine landwirtschaftliche Lehranstalt zu errichten und erfreut sich selbige des besten Aufblühens, so dass seit dem 21/2jährigen Bestehen derselben schon 62 junge Landwirte von nah und von ferne dieselbe besucht haben. Die renommierte Rittergutswirtschaft und ihrer hochfeinen Schäferei, großartigen Brauerei, bedeutenden Ziegeleien, Schweizer-Rinderzucht, großen Obst- und Gartenanlagen, die Nähe einer Zuckerfabrik und vieler vorzüglicher Güter geben den die Anstalt Besuchenden die beste Gelegenheit, sich in der Landwirtschaft auszubilden. Der Unterricht ist praktisch und theoretisch.
In täglich vier Stunden theoretischem Unterricht trägt vor der Direktor Bruns: allgemeinen Acker- und Wiesenbau, Viehzucht, Brennerei, Brauerei, Drainage, landwirtschaftliche Buchführung und Betriebslehre; Dr. Kerndt: Naturwissenschaften mit besonderer Berücksichtigung der Agrikultur-Chemie; Dr. Reichenbach: landwirtschaftliche Botanik und Zoologie; Tierarzt Prietsch: Tierheilkunde; Baumeister Schröder: Feldmessen und landwirthschaftliche Baukunde; Oeconomiecommissarius Fritsch: Ackerbonitirung; Revierförster Lommler: Forstkunde, und Dr.Barker und Dr. Meißner englische und französische Sprache für Diejenigen, die daran teilnehmen wollen. Die halbjährigen Kurse beginnen am 1. Oktober und am 1. April.
Unablässige, geregelte Tätigkeit und Handhabung gehöriger Disziplin bilden den moralischen Grundpfeiler der Anstalt. Jeder Ankömmling tritt als ein Mitglied der Familie des Direktors ein: Alle wohnen zusammen in den Gebäuden des Instituts, Jeder steht in den nächsten Beziehungen zu den Lehrern und der Wirtschaft. Wir zweifeln nicht, dass die lebenskräftige Anstalt sich immer mehr entwickelt und ihre hohe Aufgabe, Segen spendend nach allen Seiten hin zu wirken, erfüllen wird.
Am 3. Januar 1857 ist in der "Illustrierten Zeitung" eine Ansicht des Hauptgebäudes der Landwirtschaftlichen Lehranstalt zu Lützschena bei Leipzig abgebildet, verbunden mit folgender Bildunterschrift:
Am 2. April beginnt der Sommerkursus in der im vorigen Jahre von 64 Landwirten besucht gewesenen landwirtschaftlichen Lehranstalt auf dem Rittergute Lützschena, wo die Landwirtschaft praktisch und theoretisch gelehrt und in täglich 5 Stunden vorgetragen wird: Acker- und Wiesenbau, Viehzucht, Drainage, Witterungskunde, Brennerei, Brauerei, landwirtschaftliche Baukunde, Betriebslehre, Buchführung, Forstkunde von Direktor Bruns; landwirtschaftliche Tier- und Pflanzenkunde von Prof. Reichenbach; Nationalökonomie, Landwirthschaftsrecht und Geschichte der Landwirtschaft von Dr. Löbe; Naturwissenschaften mit besonderer Berücksichtigung der Agrikulturchemie, Physik, Geognosie und Mineralogie von A. Heppe; Mathematik und Ackerbonitirung und Ackertaration von Geometer Stiegler.
Die übrige Zeit wird der praktischen Ökonomie gewidmet.
*) Die Orthografie entspricht den jeweiligen Originalartikeln aus dem 19. Jahrhundert
Kor.

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