Gartenstadt bietet seit einem Jahrhundert hohe Wohnqualität in Lützschena

Lützschena. Gepflegte Gärten, eine schöne, ruhige Lage unweit von grüner Natur, die eigenen vier wohnlichen Wände und eine gute Verbindung zur Innenstadt – das sind Ansprüche an die generelle Lebensqualität. Aber nicht nur heutzutage wünschen sich meist junge Familien eine solche Lebensweise, auch schon vor fast 100 Jahren wurden viele Wünsche in der Lützschenaer Gartenstadt erfüllt.
Einer plante schon damals mit viel Weitsicht: Bauleiter Bruno Peglau. Er leitete in den Jahren 1909 und 1910 den Bau der Gartenstadt Quasnitz und des Dorettenrings im Süden des heutigen Leipziger Ortsteils. Gleichzeitig startete die Gartenstadt GmbH eine groß angelegte Werbekampagne um Anwohner für die neuen Siedlungen, die besonders auf die Bewohner Leipzigs abzielte. Der Einleitungstext für die damalige Broschüre scheint an Aktualität nichts eingebüßt zu haben: „Das moderne Großstadtleben mit all seinem Lärm und seiner Unruhe, dem Zwang, in rauchiger, ungesunder Luft und in engen Straßen zu wohnen, hat wohl in jedem Bewohner Leipzigs schon einmal den Wunsch erweckt, hinaus aufs Land zu ziehen und in schöner Lage ein Häuschen zu ermieten.“ Seinen Ursprung hatte die artenstadtbewegung aber in England. Der „Erfinder“ Sir Ebenezer Howard wollte damit am Ende des 19. Jahrhunderts die Wohnsituation der Arbeiterklasse verbessern. So entstanden um die Jahrhundertwende erste Gartenstädte, welche die Lebensqualität der Arbeiter deutlich erhöhten. Eine Gartenstadt sollte laut Howard die jeweils vorteilhaften Elemente von Stadt- und Landleben verbinden und damit ideale Lebensform sein. Allerdings scheiterte das Großprojekt in England an der staatlichen Unterstützung. Außerdem geriet es in den Ruf, eine „Stadt der Reformer und Künstler“ zu sein, was die Arbeiter abschreckte. Auch in Deutschland gibt es mehrere Gartenstädte, wie beispielsweise Hellerau bei Dresden. Durchsetzen konnte sich dieser Städtebaustil aber auch hier nicht In Quasnitz hatte Baumeister Peglau ein ursprünglich 250000 Quadratmeter großes Gelände für „seine“ Gartenstadt vorgesehen. Letztlich baute er aber nur 135 Häuser auf einem wesentlich kleineren Gelände – allerdings sollte das Vorhaben erweiterbar bleiben. Doch daraus wurde nichts, denn „Peglau hat sich an dem gigantischen Projekt übernommen und ist pleite gegangen“, weiß der Lützschenaer Gerald Brause.
Alle Reihenhäuser der Gartenstadt haben einen kleinen Garten davor und dahinter und wurden in Gruppen um mehrere „Spielplätze“ angeordnet. Jedes Haus mit vier Zimmern, Küche, Bad, Dachboden und Keller konnten damals für etwa 530 Mark im Jahr gemietet oder für etwa 10000 Mark gekauft. Die Planer wollten den Stadtbewohnern damit eine preisgünstige Alternative zum Erwerb eines Grundstückes bieten, die damals nicht sehr reichlich vorhanden waren.
Die 135 Häuser waren nicht die einzigen, die Peglau in Quasnitz erbauen ließ. Im Dorettenring entstanden ungefähr zum selben Zeitpunkt 21 Häuser im gleichen Baustil. Beim Bau erwies sich allerdings die bis dahin nicht durchgeführte Grundentwässerung als Problem – die Luppe in ihren heutigen Bahnen gab es noch nicht - die Häuser wurden auf Höhe des Grundwasserspiegels gebaut. Folglich waren die Keller im Dorettenring ständig feucht. Gerald Brause bezeichnet es außerdem als „städtebauliches Verbrechen“, eine Wohnsiedlung soweit in die Aue hinein zu bauen. In den vergangen Jahren sind entgegen des Willens der Bauplaner, die den Charakter der Gartenstadt Quasnitz auf ewig erhalten wollten, viele Umgestaltungen an den Häusern und Vorgärten vorgenommen worden. Diese lassen das ursprüngliche Gesicht der Gartenstadt verblassen „Die vielen Veränderungen lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Jeder gestaltet sein Grundstück nach seinen Wünschen und Möglichkeiten. Anfangs hatten immer kleine Häusergruppen den selben Anstrich.

Im Zentrum - Der Brunnen an der Jungfernstiege
Der Architekt Bruno Peglau * 1875; † 1922 in Leipzig, wusste um die Synthese von Architektur und baubezogener Kunst. Die von ihm in den Bebauungsplan einbezogene Brunnenanlage an der Jungfernstiege beweist es. Der Name Jungfernstiege kommt aus dem Süddeutschen und heißt so viel wie "Jungfern-Stufen". Der Architekt machte aus der Not eine Tugend und glich durch die Einfügung von je 12 Stufen neben der eigentlichen Brunnenanlage zwischen Am Kalten Born und Paulinengrund vorhandene Höhenunterschiede für die Bebauung aus. Im Mittelpunkt der ursprünglich mustergültigen Anlage, in der auch Wasser sprudelte, steht die aus Stein gehauene Figur des Pans mit der Flöte, zu seinen Füßen hockt ein Wiesel, plastisch gestaltete Früchte, als Kränze geflochten, bilden das weitere Zierrat. Ein sehenswertes Stück, dieser Brunnen, wie man es in Lützschena kaum vermutet.

Benjamin Leers

Neue Gartenstadt in Quasnitz 1909 - 1910 (Autor unbekannt)

Das moderne Großstadtleben mit all seinem Lärm und seiner Unruhe, - die moderne Form der Arbeit mit ihrer nervenaufreibenden Hast und Kräfteanspannung, der Zwang, mit einer größeren oder geringeren Anzahl von Familien in einem gemeinsamen Miethause, in rauchiger, ungesunder Luft und in engen Straßen zusammen zu wohnen, hat wohl in jedem Bewohner Leipzigs schon einmal den Wunsch erweckt, hinaus aufs Land zu ziehen und in schöner Lage ein Häuschen zu er mieten, in dem er unabhängig vom Nachbarleben und sich von des Tages Last und Mühe in einen freundlichen Daheim erholen kann.
Zumeist scheitert jedoch die Verwirklichung dieses Wunsches an der leidigen Geldfrage und nicht zum wenigsten an Mangel an geeigneten Grundstücken.
Die „Gartenstadt" GmbH hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, durch Gründung von „Gartenstadt"-Ansiedlungen, insbesondere Siedlungen kleiner, wohnlicher Einfamilienhäuser in behaglichen, gefälligen Formen Angehörigen des Mittelstandes die Möglichkeit zu gehen, in unmittelbarer Nähe von Leipzig und in guter Verbindung nach der Stadt in freier Lage ein gesundes, gemütliches, praktisch eingerichtetes Heim für einen mäßigen Preis zu er mieten und auf Wunsch unter günstigen Bedingungen käuflich zu erwerben.
Zur Verwirklichung dieses Zweckes hat die „Gartenstadt" GmbH zunächst ein ca. 250.000 m² großes Areal in Quasnitz bei Lützschena erworben.

Übersichtsskizze:

Das Areal liegt hoch und gesund und ist 8 bis 10 Minuten von der schönen Elsteraue und dem Walde entfernt, welche sich ununterbrochen 2,5 Stunden weit bis zum Eingang des Rosentals in Leipzig und 4 Stunden weit in entgegengesetzter Richtung nach Schkeuditz, Maßlau, Merseburg usw. erstrecken. Auf diesem Areale beabsichtigt die „Gartenstadt" GmbH. in nächster Zeit ca. 140 Einfamilienhäuser errichten zu lassen. 68 dieser Häuser werden auf Block 15 und 16 des Bebauungsplanes für Quasnitz als Gruppen bzw. Reihenhäuser erbaut werden.
Jedes Haus hat einen Vorgarten, der als Ziergarten erhalten werden muss, fast alle Häuser haben auch größere Gärten im Inneren des Baublockes. Dort befindet sich auch ein großer Spielplatz, der mit schattenspendenden Bäumen bepflanzt wird. Die Grundrisse sind für alle Häuser gleich.
Jedes Haus enthält mit Kellergeschoß einen großen Wirtschaftskeller, im Erdgeschoß zwei Wohnräume und eine große Küche von je 2,60 m in lichter Höhe sowie ein Wasserkloset. Im Obergeschoß befinden sich eine größere Schlafstube und zwei kleine Schlafräume von je 2,8 m in lichter Höhe, ferner ein Bad, welches zugleich als Waschküche eingerichtet.


Ferner ist ein geräumiger Dachboden vorhanden. Die Häuser werden nach Wahl für elektrisches Licht oder Gas, ferner mit Wasserleitung eingerichtet; die Räume werden einfach, aber modern und geschmackvoll, in den oberen Räumen mit Wandschränken ausgestattet.



Die Grundstücke werden unter den üblichen Bedingungen vermietet; die Verträge müssen, um einen häufigen Wechsel im gemeinsamen Interesse zu vermeiden, auf mindestens ein Jahr abgeschlossen werden. Untervermietung ist nur mit Genehmigung der Gesellschaft gestattet.
Der Mietpreis beträgt durchschnittlich 50 Mark pro Jahr; den Verbrauch von Gas, Wasser und elektrischem Strom hat der Mieter selbst zu bezahlen.
Den käuflichen Erwerb der Grundstücke wird die Gesellschaft dadurch erleichtern, dass nur Einachtel des Preises, welcher sich auf rund 9-10000 Mark stellen wird, als Baranzahlung verlangt und eine l0-jährige Amortisation des Restkaufgeldes eingeräumt wird. Durch geeignete Vertragsbestimmungen wird im Interesse der ganzen Siedlung dafür gesorgt, dass deren Charakter als „Gartenstadt" für alle Zeiten erhalten bleibe muss und damit eine Grundstücksspekulation ausgeschlossen wird. Muster eines Kaufvertrages wird anliegend bcigefügt.
Mit der Erbauung dcr Grundstücke wird begonnen, wenn von den erwähnten 140 Grundstücken 70 vermietet oder verkauft sind. Auskünfte erteilt die Gesellschaft Quasnitz.


Zwischen
der „GARTENSTADT Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ in QUASNITZ als Verkäuferin
und
Herrn Expedient FRIEDLIEB RUHIG in RAUCHHEIM an der Unruh als Käufer
wird hiermit folgender
KAUFVERTRAG
abgeschlossen:

§ 1. Die „Gartenstadt" GmbH verkauft an Herrn Ruhig das in Quasnitz, Poetenweg 26, gelegene Hausgrundstück, Bl. 160 des Grundbuchs für Quasnitz, Flurstück 209 des Flurbuchs für diesen Ort, wie dasselbe steht und liegt, für den Preis von 9000 Mk.

§ 2. Dieser Preis wird wie folgt gedeckt:
1) 1000 Mk. Rentenkapital‚ unkündbar, mit 5 % jährlich incl. Amortisationszuschlag zu verzinsen, und
4500 Mk. Hypothek der Sparkasse zu Großheim, mit 4% zu verzinsen, übernimmt der Käufer in Anrechnung auf den Kaufpreis,
2) 1000 Mk. zahlt Käufer bei der Auflassung bar an,
3) 2500 Mk. womit der Kaufpreis von zusammen 9000 Mk. aufgeht, bleiben unter den folgenden Bedingungen als Restkaufgeld stehen.

§ 3. Der Käufer verpflichtet sich zum Zwecke der Tilgung und Verzinsung des Restkaufgeldes 10 Jahre lang jährlich 340 Mk. in vierteljährlichen, an den Quartalsersten fälligen Postnumerandoraten an die Verkäuferin zu bezahlen. Bei pünktlicher, daher bis zum 7. des ersten Quartalsmonats erfolgen der Zahlung ist die Verkäuferin nicht berechtigt frühere Zahlung des Restkaufgeldes zu verlangen. Sie ist jedoch berechtigt sofortige Zahlung nicht nur der rückständigen, sondern auch der künftig fällig werdenden Raten (letztere abzüglich 4% Zwischenzinsen) zu verlangen, wenn der Käufer
1) eine Rate nicht pünktlich bezahlt,
2) die heute und die Zinsen der Vorhypothek nicht pünktlich zahlt,
3) in Konkurs gerät oder zahlungsunfähig wird,
4) das Grundstück verschlechtert oder eine der in § 5 dieses Vertrages übernommenen Verpflichtungen trotz Aufforderung der Verkäuferin wiederholt verletzt.
5) das Grundstück ohne Genehmigung der Verkäuferin oder entgegen den Ortsgesetzen weiter vermietet.
Zur Sicherstellung des Anspruchs der Verkäuferin auf die 10 Jahresraten von 340 Mk. bewilligt und beantragt der Käufer auf dem Kaufgrundstück eine Sicherungshypothek von 3.100 Mk. einzutragen.
Die Verkäuferin verpflichtet sich, diese Hypothek nach Zahlung jeder Rate von 340 Mk. entsprechend löschen zu lassen.

§ 4. Dem Käufer bzw. dein jeweiligen Eigentümer des Kaufgrundstücks steht das Recht zu, den im Block 15 befindlichen, auf Bl. 150 des Grundbuchs für Quasnitz eingetragenen Spielplatz unentgeltlich zu benutzen und einen direkten Ausgang nach demselben zu haben; die Verkäuferin verpflichtet sich, diesen Spielplatz als solchen auf ihre Kosten zu erhalten.
Die Verkäuferin bewilligt und beantragt, dieses Recht zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Kaufgrundstücks auf Bl. 150 als Dienstbarkeit einzutragen.

§ 5. Der Käufer verpflichtet sich für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum des Kaufgrundstücks:
1) den Vorgarten als Ziergarten zu unterhalten und in ihm keinerlei bauliche Anlagen, insbesondere keine Lauben, Stühle und dergleichen ohne Genehmigung der Verkäuferin zu errichten.
2) bauliche Änderungen und Neuherstellungen des Gebäudes zu unterlassen, welche das Gesamtbild derjenigen Häusergruppe zu ändern oder zu beeinträchtigen geeignet sind, zu der das Kaufgrundstück gehört,
3) das Kaufgrundstück- weder ganz noch teilweise ohne Genehmigung der Verkäuferin oder entgegen den Ortsgesetzen dritten zu überlassen oder zu vermieten,
4) die von den Eigentümern der zum Block gehörigen Grundstücke mit einfacher Mehrheit für die Benutzung der Häuser und Gärten beschlossenen Ordnungen zu befolgen.
Der Käufer bewilligt und beantragt dieses Recht zugunsten der Verkäuferin bzw. des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks BL. 150 des Grundbuchs für Quasnitz auf dem Kaufgrundstück als Dienstbarkeit einzutragen.
Die Verkäuferin verpflichtet sich ihrerseits, den Eigentümern sämtlicher zum Block 15 gehörigen Grundstücke die gleichen Verpflichtungen aufzuerlegen und in Abänderung und Aufhebung derselben nur mit Genehmigung des Käufers zu willigen.

§ 6. Der Käufer räumt der Verkäuferin bzw. deren Rechtsnachfolgern im Eigentum des Grundstücks BL. 150 des Grundbuchs für Quasnitz das Vorkaufsrecht an dem Kaufgrundstück für alle Fälle ein, in welchen das Kaufgrundstück von ihm oder seinen Rechtsnachfolgern zu einem höheren Preise als 9500 Mk. verkauft wird, und bewilligt und beantragt dieses Vorkaufsrecht auf dem Kaufgrundstück einzutragen.
Beträgt der Kaufpreis mehr als 9500 Mk.‚ so hat der Käufer oder dessen Rechtsnachfolger den Mehrbetrag im Falle der Nichtausübung des Vorkaufsrechts an die Verkäuferin oder deren Rechtsnachfolger abzuführen. Im Falle der Ausübung des Rechtes hat die Verkäuferin nur 9500 Mk. zu bezahlen.

§ 7. Die durch diesen Vertrag und den Eigentumsübergang entstehenden gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, Stempel und Steuern trägt der Käufer.

§ 8. Die Vertragschließenden sind mit Vorstehendem allenthalben einverstanden und haben zu Urkunde dessen diesen Kaufvertrag heute eigenhändig vollzogen.

QUASNITZ, den 1. März 1910.
FRIEDLIEB RUHIG.
„GARTENSTADT"
Gesellschaft mit beschränkter Haftung



Bilder vom Kleinen Poetenweg

Bilder von Horst Pawlitzky

Bilder von der Gartenstadt um 1940

 

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