Die Geschichte von Lützschena,

muss sie neu geschrieben werden? Das nicht, aber sie ist zu ergänzen mit den Ergebnissen der Ausgrabungen im Bereich des Heidegrabens. Vom Landesamt für Archälogie Sachsen wurden mir auf meine Anfrage nämlich zwei Kurzdokumentationen zur Verfügung gestellt. Die erste betrifft den Neubau des Heidegrabens von seinem nördlichen Beginn bis zur Halleschen Straße und im Süden weiter bis zur Weißen Elster. Auf der ca. 2 km langen Grabenstrecke wurde zuerst eine 4 m breite Fläche mit einem Bagger sauber und plan abgezogen, so dass man beurteilen konnte, wo es sich zu graben lohnt. Am 29. Oktober 2012 begannen 10 Mitarbeiter mit den Grabungen.


Diese Arbeiten erforderten hohen körperlichen Einsatz, zumal später der Boden etwa 40 cm tief gefroren war, weshalb ein kleiner Bagger eingesetzt werden musste. Neben dem Frost hatten Schnee und Dauerregen die Arbeiten erschwert. Sie hat sich gelohnt, denn die Funde waren nicht nur zahlreich, sondern auch von hoher Qualität. Man konnte sie nicht sofort untersuchen, weshalb die Erdmassen in 131 Big Bags mit je 1 m³ Inhalt zwischengelagert wurden. Mitte 2013 kamen diese in eine eigens auf dem Gelände eingerichtete Schlämmstation. Hier wurde das Material mit Wasser durch zwei Siebe mit unterschiedlicher Maschenweite gespült. Gegenüber den Grabungen konnte man auch kleinere Funde erhalten, so eine große Masse an Keramik und Gegenständen aus Feuerstein, den Zahn eines Raubtieres und Nussschalenfragmente, aber weniger Knochenreste. Allein beim Ausgraben hätte man sie sicher nicht entdeckt.

Die Grabungen in Lützschena erbrachten bisher erstaunliche Ergebnisse. So konnte in der Aue an der Weißen Elster, östlich der Gartenstadt am Dorettenring, eine kleine Fundstelle aus dem Mittelalter mit im slawischen Stil verzierten Gefäßen erfasst werden. Und nördlich der Halleschen Straße verläuft der neue Heidegaben durch eine Siedlung aus der Steinzeit, die ca. 7000 Jahre alt ist. Gefunden wurden Teile von vier Langhäusern, die aus Holz und Lehm bestanden, hier im Bild ihr Grundriss und eine Rekonstruktion.

Solche Häuser wurden von den ersten Ackerbauern und Viehzüchtern in Mitteleuropa bewohnt. Sie gehörten der Bandkeramischen Kultur, auch linien- oder linearbandkeramische Kultur an, der ältesten bäuerlichen Kultur der Jungsteinzeit.


 

 

Typisch für die Bandkeramik sind die Bandmuster auf den Gefäßen. Spiralförmig winden sich runde oder eckige Linien um die Keramikgefäße. Die Menschen der Bandkeramik bauten Getreide an und züchteten Haustiere, bestatteten ihre Toten in Hockergräbern und bauten um ihre Siedlungen Befestigungsanlagen (Erdwerke) mit Gräben, Wällen und Palisaden. Sie waren sesshaft, hatten ihre lebensweise als Sammler und Jäger aufggeben. Sie stellten nun Gefässe aus Keramik her, in denen sie ihre Vorräte aufbewahrten oder das Essen zubereiteten. Weiterhin benutzten sie Werkzeuge aus Stein, aber nicht wie bisher gewöhnliche Faustkeile, sondern kunstvoll hergestellte Klingen und Bohrer aus Feuerstein und Beile sowie kleine Sägen aus Stein. Die Grabungen in diesem Abschnitt wurden am 30. Januar 2013 beendet, die Anlage des neuen Heidegrabens wurde begonnen. Mit ihm wird nun gesichert, dass das im Porsche-Werk anfallende Regenwasser problemlos in die Weiße Elster fließen kann.
Eine weitere Kurzdokumenttion zu den Grabungen im neuen Wohngebiet am Heidegraben liegt mir vor. Sie umfasst den Zeitraum vom 11. Mai 2015 bis zum 17. Juli 2015. Bevor die ca. 400 m lange neue Straße des Baugebiets angelegt werden konnte waren auch hier archäologische Untersuchungen durchzuführen. Nach dem Abtrag der oberen Erdschicht sah man zahlreiche Gruben und Pfostenlöcher. Anhand der darin gefundenen Scherben konnten sie der neolithischen Kultur der Linienbandkeramik (5500 - 4900 v.u.Z.) zugeordnet werden. Auf der gesamten Fläche der Straße wurden rund 200 Siedlungsbefunde freigelegt. Trotz der vorangegangenen Nutzung der Flächen als Acker sind diese außerordentlich gut erhalten. Von den 10.221 Scherben sind 1.715 verziert. Ihrer Form nach sind sie die Reste von Kumpfen (Gefäße mit flachem Boden) oder Flaschen. Durch das Anbringen von Knubben oder Fingerkniffen wurde ihre Handhabung deutlich leichter.


 

 

Gefunden wurden auch 18 Steinbeile, Bruchstücke von ihnen und Drechsel. Liegt die Schneide bei einem Beil parallel zum Stiel, so ist sie bei dem Drechsel quer dazu. Mit diesem Werkzeug ist man in der Lage, Flächen an Balken zu ebnen oder auch Baumstämme so auszuhöhlen dass ein Einbaum entsteht. Im Gegensatz zu den Faustkeilen, die meist nur roh behauen waren, sind sie äußerst sorgfältig geschliffen. Für ihre Besitzer stellten sie sicher einen großen Wert dar.


 

 

 

Im Bild rechts sieht man die Fundstellen von Pfostenlöchern eines bandkeramischen Langhauses. Sieben Standorte von derartigen Häusern konnten festgestellt werden, wobei sie typisch für diese Zeit in Nordwest- und Südostrichtung gebaut waren. Außerdem wurden Gräben entdeckt, die parallel zu den Seitenwänden lagen.


Geht man von dem Fuß- und Radweg von der Straße Zum kalten Born zum Heidegraben nur wenige Schritte nach Norden, dann läuft man eigentlich durch zwei Häuser.
Hier die schematische Darstellung der Grundrisse von diesen zwei Häusern und ihre Lage auf der nun fertiggestellten Straße.

Am 17. Juli 2015 wurden die Arbeiten in diesem Grabungsfeld abgeschlossen. Jetzt sind entlang der Straße die ersten Häuser schon zu sehen. Bei dem Aushub der Flächen für ihre Fundamentplatten wurden weitere archäologische Unter-suchungen vorgenommen. Zu dem Zeitpunkt, also Ende Oktber 2016, wo ich diesen Beitrag schreibe, sind sie noch nicht abgeschlossen. Es ist deshalb erst nach ihrer Beendigung durch das Landesamt für Archäologie Sachsen möglich eine Bewertung für die gesamten Arbeiten zu geben. Schon jetzt kann man sagen, dass diese Ausgrabungen bisher interessante und wissen-schaftlich aufschlussreiche Ergebnisse brachten, die ein wichtiger Teil des Gesamtbildes der vor-geschichtlichen Besiedlung des Leipziger Raums darstellen. Mit Stolz aber können wir Lützschenaer sagen, dass schon vor 7000 Jahren Menschen erkannten, dass man hier gut leben kann, wir auf gechichtsträchtigem Boden wohnen.
Die beiden Kurzdokumentationen habe ich ausgedruckt und dem Archiv des Heimatvereins Lützschena-Stahmeln e.V. übergeben. Hier können sie eingesehen werden wenn man genauere Informationen haben möchte.

Horst Pawlitzky
Quellen für Texte und Fotos:
Landesamt für Archälogie Sachsen