Neumarkt-Sankt Veit 

 

Verwundert wird sich der Leser fragen, was Lützschena mit der Stadt Neumarkt-Sankt Veit wohl verbinden mag. Schließlich ist diese Stadt mit ihren ca. 6.300 Einwohnern, im Tal der Rott im oberbayrischen Kreis Mühldorf am Inn gelegen und in eine schöne Hügellandschaft eingebettet, doch so weit von uns entfernt. Deutlicher wird die Sache durch den Zusatz Sankt Veit in dem Städtenamen. Er rührt her von dem Benediktinerstift, das 1171 als Stiftung des Salzburger Bischofs Adalbert errichtet wurde, und zwar auf dem Vitusberg, einer Anhöhe oberhalb des Tals der Rott. Zu Füßen des Klosters ließ der bayrische Herzog Heinrich XIII 1269 an dem Handelsweg von Landshut nach Burghausen einen Markt einrichten, offenbar um der Dominanz der Mönche ein weltliches Gegengewicht zu geben.

St. Veit heute

Das Kloster umfasste vor Ort 1100 Tagwerk Äcker, Wiesen und Wälder, man betrieb Tier- und Fischzucht, Mühlen an der Rott und ab 1643 eine Brauerei. Zusätzlich konnte die Abtei rund 450 zinspflichtige Bauerngüter ihr eigen nennen, die sich hauptsächlich im Bereich zwischen der Isar im Norden und der Isen im Süden befanden, auch die Pfarrei Vilsbiburg gehörte dazu. Selbst im Ausland hatte man mehrere Besitzungen, darunter Weinberge in der Nähe von Krems an der Donau, also in Österreich, von denen man den Messwein und den Haustrunk bezog.

Es hatte eine wechselvolle Geschichte, bis 1795 Cölestin Weighart sein Amt als Abt antrat. Er vermochte es allerdings nicht, die skandalösen Zustände im Kloster zu beenden, so dass es im Juni 1802 zur Selbstauflösung des Klosters kam, kurze Zeit vor einer allgemeinen Säkularisierung der bayrischen Klöster. Mit dem Versprechen einer jährlichen Rente von 400 Gulden entließ man die Mönche ins weltliche Leben, die Klosterkirche St.Veit wurde Pfarrkirche mit einem weltlichen Pfarrherren, die Klosterräume gingen in den Besitz des adeligen St.Anna-Stiftes in München über.

Kloster St. Veit

Nun trat Maximilian Speck (1776 – 1856) auf die Bühne. Am 8. November 1828 wird er vom bayrischen König Ludwig I. eingeladen, um „die edle Schafzucht in seinem Reiche auf eine höhere Stufe befördern zu helfen.“ Er pachtete am 1.Februar 1829 das Staatsgut Fürstenried für 10 Jahre und, was noch wichtiger ist, am gleichen Tage wird er vom König in den erblichen Königlich Bayerischen Freiherrenstand erhoben, darf den Namenszusatz „von Sternburg“ und ein eigenes Familienwappen führen. Der nun adlige Maximilian Freiherr Speck von Sternburg erwirbt am 16. Februar 1829 das Klostergut Sankt Veit, um darin eine Musterschafzucht aufzubauen. Mehrere Reisen führten ihn nun dorthin, denn schließlich musste das Gut ja auch verwaltet werden. Ein Glücksfall für Lützschena mag es sein, dass er deshalb seinen Lebensmittelpunkt nicht nach Bayern verlegte, denn sonst wäre das hiesige Gut nicht aufgeblüht, wäre die Sternburgsche Kunstsammlung vielleicht in München  und nicht in Leipzig. Auch könnten wir nicht im Leipziger Völkerkundemuseum, das sich in dem nach umfangreicher Renovierung kürzlich wieder eröffneten Grassimuseum befindet, die wertvollen Exponate aus China und vor allem Tibet bewundern, welche Hermann Speck von Sternburg (1852 – 1908) als Diplomat im Dienst des kaiserlichen Deutschland dort gesammelt hat.

Kloster St. Veit zur Zeit des Freiherrn Speck von Sternburg

Maximilian Speck von Sternburg erließ einen Fideikomiß nach englischem Vorbild, wonach das von ihm hinterlassene Erbe nicht geteilt werden durfte. Vielmehr sollte der älteste der Erbberechtigten das Majorat ausüben und das Erbe zum Nutzen der gesamten Familie verwalten. Der erste der Majoratsherren war sein Sohn Alexander Maximilian (1821 – 1911). Dieser sah die Wirtschaftslage des Gutes Sankt Veit offenbar recht kritisch, so dass er es 1858 an den Reichsrat Maximilian II. Graf von Montgelas, Sohn des bayerischen Ministers Max Joseph von Montegelas verkaufte. In den Folgejahren wechselte es mehrmals die Besitzer, bis im Jahre 1952 in seinen Gebäuden ein Altenheim eingerichtet wurde. Die Leitung des Hauses hatten die Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul übernommen und Mitte der 90er Jahre wurde dem Altenheim ein eigener Pflegetrakt als Neubau angefügt. Die letzten vier Schwestern verließen St.Veit zum Jahresende 2004. Seither ist das Haus in Trägerschaft der Altenheim Stift St. Veit gGmbH, deren alleiniger Gesellschafter die Stiftung Ecksberg mit Sitz in Mühldorf ist.

Wie man sieht gibt es eine solche Verbindung, auch wenn sie in direkter Form nur 27 Jahre dauerte und mehr als 150 Jahre zurückliegt, was aber kein Grund ist, sich nicht daran zu erinnern. Nicht zuletzt möchte ich mich an dieser Stelle bei Herrn Walter Jani vom Stadtarchiv Neumarkt-Sankt Veit bedanken, der mir freundlicherweise Bilder vom Gut Sankt Veit geschickt hat und von denen ich einige zur Illustration dieses Beitrages beifügen konnte.

 

Horst Pawlitzky