Text und Fotos: Horst Pawlitzky
Stand 2013
Lützschena war ein eigener Gutsbezirk mit einem Rittergut, das 1404 von Wilhelm von Uechtritz erworben wurde. Es blieb bis 1793 im Besitz der Familie, wo es Maximiliane Ernestine Sophie von Klengel, geb. von Uechtritz, gemeinsam mit ihrer Mutter erbt, obwohl es ein Mann-Lehen ist. 1804 lässt nun Frau von Klengel die Eigentumsrechte an dem Rittergut ihrem Ehemann Rittmeister Hans Moritz Alexander von Klengel überschreiben. Zu dem Gut gehören eine Ziegelei, eine Mühle und seit 1776 eine Brauerei, der 1795 vom Leipziger Rat das Recht gegeben wurde, das dort gebraute Bier auch in Leipzig verkaufen zu dürfen. Lützschena ist ein armseliger Ort, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts 15 Nachbarhäuser und einige kleinere Häuser umfasst.
Aus der Zeit zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert stammt dieses Bild, das
vorn die Schlosskirche, dahinter das Mühlengut und hinter der Tordurchfahrt
das Rittergut mit dem alten Schloss zeigt.
Der letzte Besitzer Rittmeister Hans Moritz Alexander von Klengel hatte während
der Napoleonischen Kriege große finanzielle Verluste erlitten und starb 1816.
Seine Frau, die Tochter des vorherigen Besitzers von Uechtritz, konnte das
Gut wegen "trauriger Zeitverhältnisse" nicht mehr halten, so dass
es zur Zwangsversteigerung im Jahre 1822 kam.
Maximilian Speck von Sternburg im Jahre 1826 Der Kaufmann Maximilian
Speck (1776 - 1856) aus Leipzig, durch einen florierenden Wollhandel zu Wohlstand
gelangt, erwarb das Gut für 101 750 Reichstaler und führte es in kurzer Zeit
zu neuer Blüte. So ließ er Wirtschaftswege neu anlegen und Maßnahmen zum Schutz
vor Hochwasser durchführen, intensivierte die Landwirtschaft und den Obstbau.
Die seit 1800 bestehende Ziegelei, welche zwischenzeitlich verpachtet war,
rettete er vor dem Verfall und baute sie so aus, dass mit den 1836 arbeitenden
vier Brennöfen jährlich bis zu 900 000 Ziegel von hoher Qualität produziert
werden konnten. Die zum Gut gehörende Brauerei verlegte er in die in den Jahren
1834/35 am jetzigen Standort errichteten Neubauten. Den zur Bierbereitung
nach bayerischem Vorbild nötigen Hopfen ließ er in seinen Hopfengärten anbauen,
wo 1836 an den 37 500 Stangen etwa 112 500 Hopfenpflanzen rankten. Beraten
von Landwirtschaftsexperten wie Albrecht Daniel Thaer (1752 - 1828) führte
er moderne Methoden der Landwirtschaft ein, indem er die Fruchtfolge änderte
(bis 1830 noch Dreifelderwirtschaft), was auch dadurch möglich wurde, dass
er die Düngung der Felder verbesserte, indem er sich eine Knochenmühle aus
England kommen ließ. Von dort her bezog er auch Steinkohle, die er durch heimische
Braunkohle ablösen wollte, was aber nicht gelang, da von ihm veranlasste Probebohrungen
nicht das gewünschte Ergebnis brachten. In allen diesen Fakten zeigt sich,
dass es sich bei dem Gut Lützschena nun um ein sehr komplexes Unternehmen
handelte, das in vielen Dingen der damaligen Zeit weit voraus war.
Die Aufmerksamkeit seiner Nachbarn und nicht zuletzt sogar einiger europäischer Fürstenhäuser erregte Maximilian Speck dadurch, dass er durch Beschaffung wertvoller Zuchttiere auch aus dem Ausland vor allem die Schafzucht, aber auch durch die Züchtung eines Rinderstammes aus dem Schweizer Kanton Bern und die Einführung der Stallfütterung bis dahin nicht gekannte Ergebnisse in der Viehwirtschaft erzielte. So wurde er 1825 vom Zaren Alexander I. nach St. Petersburg eingeladen, um in Vorträgen die gesammelten Erfahrungen weiterzugeben. Als Dank erhielt er den "Orden des heiligen apostelgleichen Wladimir", verbunden mit einer Pension von jährlich 6 000 Rubeln, wodurch er in den Rang eines Ritters erhoben wurde (s. auch Auen-Kurier 05/2013).
Wappen der Familie Speck von Sternburg
1829 verlieh ihm der bayerische König Ludwig I. den Freiherrenstand und erlaubte ihm von nun an den Namenszusatz "von Sternburg" sowie ein Wappen führen.
Die bei seinen Unternehmungen erzielten Gewinne
legte Maximilian Speck von Sternburg nicht allein in seinem Gute wieder an,
sondern er verwendete sie auch, um auf kulturellem und sozialem Gebiet Fortschritte
zu erzielen. Davon zeugt die wertvolle Sammlung von Gemälden, Grafiken und
Büchern, welche zum Teil in der eigens dafür 1834 erbauten Villa Martha untergebracht
wurde, zum anderen Teil im Schloss ausgestellt war. Kurz nach Erwerb vom Gut
veranlasste er, dass nach englischem Vorbild der Schlosspark angelegt wurde.
1847 ließ er eine Kinderbewahranstalt in dem Eckhaus Hallesche (ehemals Leipziger)
Straße/Am Bildersaal einrichten, beteiligte sich an der Gründung einer Sonntagsschule
für Erwachsene. Die durch den Betrieb seines Gutes gewonnen Erfahrungen gab
er weiter, indem er 1826 einen Lehrverein zur Ausbildung von Gutsbesitzern
und des Gesindes ins Leben rief, 1851 in Lützschena eine höhere Landwirtschaftsschule
gründete und eine ganze Reihe von Lehrschriften veröffentlichte. Schließlich
setzte sich Maximilian Speck von Sternburg auch dafür ein, dass die Bauern
seiner Herrschaft von den Frondiensten befreit wurden und das Gut 1835 ein
freies wurde, indem er es gegen Zahlung von 1 000 Talern aus der Lehnshoheit
des sächsischen Königs herauslöste.
Das Lützschenaer Schloss im 19. Jahrhundert Links das Schloss, wie
es von der Familie von Uechtritz übernommen wurde, war ein zweigeschossiger
Barockbau mit ausgebautem Mansarddach und einem in der Mitte aufgesetzten
kleinen Turm. Ein Bild, wie es anzuschauen war, findet man in einem der Lichthöfe
in Specks Hof in Leipzig, daneben das Bild des Freiherrn Speck von Sternburg.
Nach seinem Tode im Jahre 1856 genügte der Bau offensichtlich nicht mehr den
Bedürfnissen der gewachsenen Familie, auch bot er zu wenig Platz, um die große
Kunstsammlung würdig zu präsentieren. Deshalb wurde das alte Schloss 1864
abgetragen und durch einen Neubau ersetzt.
Das Lützschenaer Schloss in englischer Neugotik
Der Sohn Alexander Maximilian, Vater von zwölf Kindern, ließ das neue Schloss
in einem Stil bauen, der sich an der englischen Neugotik orientierte. Es
hatte zunächst drei Geschosse mit relativ flachen Dächern, die dadurch etwas
verdeckt wurden, dass die Mauern mit Zinnen abschlossen. So wurde erreicht,
dass das Gebäude nicht überdimensioniert in der umgebenden Landschaft wirkte.
Auch wurde der Baukörper dadurch aufgelockert und vertikal gegliedert, indem
die Eckbereiche vorspringen. Über dem südlichen Eingang wurde das
Familienwappen als steinernes Basrelief angebracht. Im Innern fallen die
Halle im Erdgeschoß sowie die mit reichen Holzarbeiten gestaltete Treppe
auf. Man nimmt an, dass der Leipziger Baurat Oskar Mothes den Bau leitete,
zumal er bereits am Umbau der Schlosskirche im Jahre 1855 mitwirkte.
Bis zum Jahre 1945 bestand das Schloss ohne wesentliche Veränderungen. Nach der Enteignung der früheren Besitzer und der Auslagerung der Kunstsammlungen wurde das Schloss lange Zeit als land-wirtschaftliche Fachschule genutzt. Um nun zusätzlichen Wohnraum und Internatsplätze für Schüler zu gewinnen, wurde ein viertes Geschoß aufgesetzt, wodurch die Zinnen verschwanden und so ein schmuckloses Flachdach den Abschluss bildet. Glücklicherweise steht es jetzt unter Denkmalschutz, so dass weitere derartige Frevel ausgeschlossen sind. Nach 1989 bemühte sich der Gemeinderat Lützschena darum, dass das Schloss zum Eigentum der Gemeinde wird. Ziel war es, das Schloss selbst und umliegende Gebäude wie das Mühlengrundstück, das ehemalige Wasserkraftwerk, Pferdeställe usw. mit Unterstützung von Investoren zu einem Komplex zu gestalten, wo Erholungssuchende neben Unterkunft auch Möglichkeiten der künstlerischen und sportlichen Betätigung, für Wanderungen und Weiterbildung finden. Leider wurde entsprechenden Anträgen nicht stattgegeben, so dass sich das Schloss im Besitz des Freistaates Sachsen befand und einige Jahre als Schule für behinderte Kinder genutzt wurde. Mit der Verlagerung der Schule an andere Orte wurde das Haus frei und konnte zum Kauf angeboten werden. Dank der fleißigen Arbeit seiner jetzigen Eigentümer und der von ihnen aufgewandten Investmittel kann man wieder von einem Schloss sprechen.
© 1999-2013 Lützschena-Stahmeln