Text und Fotos: Horst Pawlitzky
Stand vom Juli 2007
Die Geschichte des Schlosses in Lützschena ist eng mit der des dortigen Rittergutes verbunden. Im Jahre 1404 wurde es von Wilhelm von Uechtritz gekauft. Nach seinem Tode erhielt einer der beiden Söhne, Bernhard, Lützschena und dieser kaufte später Freiroda hinzu. Die Familie von Uechtritz besaß das Gut mehr als 400 Jahre. Der letzte Besitzer Rittmeister Hans Moritz Alexander von Klengel hatte während der Napoleonischen Kriege große finanzielle Verluste erlitten und starb 1816. Seine Frau, die Tochter des vorherigen Besitzers von Uechtritz, konnte das Gut wegen "trauriger Zeitverhältnisse" nicht mehr halten, so dass es zur Zwangsversteigerung im Jahre 1822 kam.
Maximilian Speck von Sternburg im Jahre 1826
Der Kaufmann Maximilian Speck (1776 - 1856) aus Leipzig, durch einen
florierenden Wollhandel zu Wohlstand gelangt, erwarb das Gut für 101 750
Reichstaler und führte es in kurzer Zeit zu neuer Blüte. So ließ er
Wirtschaftswege neu anlegen und Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser
durchführen, intensivierte die Landwirtschaft und den Obstbau. Die seit 1800
bestehende Ziegelei, welche zwischenzeitlich verpachtet war, rettete er vor
dem Verfall und baute sie so aus, dass mit den 1836 arbeitenden vier
Brennöfen jährlich bis zu 900 000 Ziegel von hoher Qualität produziert werden
konnten. Die zum Gut gehörende Brauerei verlegte er in die in den Jahren
1834/35 am jetzigen Standort errichteten Neubauten. Den zur Bierbereitung
nach bayerischem Vorbild nötigen Hopfen ließ er in seinen Hopfengärten
anbauen, wo 1836 an den 37 500 Stangen etwa 112 500 Hopfenpflanzen rankten.
Beraten von Landwirtschaftsexperten wie Albrecht Daniel
Thaer (1752 - 1828) führte er moderne Methoden der Landwirtschaft ein,
indem er die Fruchtfolge änderte (bis 1830 noch Dreifelderwirtschaft), was
auch dadurch möglich wurde, dass er die Düngung der Felder verbesserte, indem
er sich eine Knochenmühle aus England kommen ließ. Von dort her bezog er
auch Steinkohle, die er durch heimische Braunkohle ablösen wollte, was aber
nicht gelang, da von ihm veranlasste Probebohrungen nicht das gewünschte
Ergebnis brachten. In allen diesen Fakten zeigt sich, dass es sich bei dem
Gut Lützschena nun um ein sehr komplexes Unternehmen handelte, das in vielen
Dingen der damaligen Zeit weit voraus war.
Die Aufmerksamkeit seiner Nachbarn und nicht zuletzt sogar einiger europäischer Fürstenhäuser erregte Maximilian Speck dadurch, dass er durch Beschaffung wertvoller Zuchttiere auch aus dem Ausland vor allem die Schafzucht, aber auch durch die Züchtung eines Rinderstammes aus dem Schweizer Kanton Bern und die Einführung der Stallfütterung bis dahin nicht gekannte Ergebnisse in der Viehwirtschaft erzielte. So wurde er 1825 vom Zaren Alexander I. nach St. Petersburg eingeladen, um in Vorträgen die gesammelten Erfahrungen weiterzugeben. Als Dank erhielt er den "Orden des heiligen apostelgleichen Wladimir", verbunden mit einer Pension von jährlich 6 000 Rubeln, wodurch er in den Rang eines Ritters erhoben wurde.
Wappen der Familie Speck von Sternburg
1829 verlieh ihm der bayerische König
Ludwig I. den Freiherrenstand und erlaubte ihm von nun an den
Namenszusatz "von Sternburg" sowie ein Wappen führen.
Die bei seinen Unternehmungen erzielten Gewinne legte Maximilian Speck von Sternburg nicht allein in seinem Gute wieder an, sondern er verwendete sie auch, um auf kulturellem und sozialem Gebiet Fortschritte zu erzielen. Davon zeugt die wertvolle Sammlung von Gemälden, Grafiken und Büchern, welche zum Teil in der eigens dafür 1834 erbauten Villa Martha untergebracht wurde, zum anderen Teil im Schloss ausgestellt war. Kurz nach Erwerb des Gutes veranlasste er, dass nach englischem Vorbild der Schlosspark angelegt wurde. 1847 ließ er eine Kinderbewahranstalt in dem Eckhaus Hallesche (ehemals Leipziger) Straße/Am Bildersaal einrichten, beteiligte sich an der Gründung einer Sonntagsschule für Erwachsene. Die durch den Betrieb seines Gutes gewonnen Erfahrungen gab er weiter, indem er 1826 einen Lehrverein zur Ausbildung von Gutsbesitzern und des Gesindes ins Leben rief, 1851 in Lützschena eine höhere Landwirtschaftsschule gründete und eine ganze Reihe von Lehrschriften veröffentlichte. Schließlich setzte sich Maximilian Speck von Sternburg auch dafür ein, dass die Bauern seiner Herrschaft von den Frondiensten befreit wurden und das Gut 1835 ein freies wurde, indem er es gegen Zahlung von 1 000 Talern aus der Lehnshoheit des sächsischen Königs herauslöste.
Das Lützschenaer Schloss im 19. Jahrhundert
Links das Schloss, wie es von der Familie von Uechtritz übernommen wurde, war
ein zweigeschossiger Barockbau mit ausgebautem Mansarddach und einem in der
Mitte aufgesetzten kleinen Turm. Ein Bild, wie es anzuschauen war, findet
man in einem der Lichthöfe in Specks Hof in Leipzig, daneben das Bild
des Freiherrn Speck von Sternburg. Nach seinem Tode im Jahre 1856 genügte
der Bau offensichtlich nicht mehr den Bedürfnissen der gewachsenen Familie,
auch bot
er zu wenig Platz, um die große Kunstsammlung würdig zu präsentieren. Deshalb
wurde das alte Schloss 1864 abgetragen und durch einen Neubau ersetzt.
Das Lützschenaer Schloss in englischer Neugotik
Der Sohn Alexander Maximilian, Vater von zwölf Kindern, ließ das neue Schloss
in einem Stil bauen, der sich an der englischen Neugotik orientierte. Es
hatte zunächst drei Geschosse mit relativ flachen Dächern, die dadurch etwas
verdeckt wurden, dass die Mauern mit Zinnen abschlossen. So wurde erreicht,
dass das Gebäude nicht überdimensioniert in der umgebenden Landschaft wirkte.
Auch wurde der Baukörper dadurch aufgelockert und vertikal gegliedert, indem
die Eckbereiche vorspringen. Über dem südlichen Eingang wurde das
Familienwappen als steinernes Basrelief angebracht. Im Innern fallen die
Halle im Erdgeschoß sowie die mit reichen Holzarbeiten gestaltete Treppe
auf. Man nimmt an, dass der Leipziger Baurat Oskar Mothes den Bau leitete,
zumal er bereits am Umbau der Schlosskirche im Jahre 1855 mitwirkte.
Bis zum Jahre 1945 bestand das Schloss ohne wesentliche Veränderungen. Nach der Enteignung der früheren Besitzer und der Auslagerung der Kunstsammlungen wurde das Schloss lange Zeit als landwirtschaftliche Fachschule genutzt. Um nun zusätzlichen Wohnraum und Internatsplätze für Schüler zu gewinnen, wurde ein viertes Geschoß aufgesetzt, wodurch die Zinnen verschwanden und so ein schmuckloses Flachdach den Abschluss bildet. Glücklicherweise steht es jetzt unter Denkmalschutz, so dass weitere derartige Frevel ausgeschlossen sind. Nach 1989 bemühte sich der Gemeinderat Lützschena darum, dass das Schloss zum Eigentum der Gemeinde wird. Ziel war es, das Schloss selbst und umliegende Gebäude wie das Mühlengrundstück, das ehemalige Wasserkraftwerk, Pferdeställe usw. mit Unterstützung von Investoren zu einem Komplex zu gestalten, wo Erholungssuchende neben Unterkunft auch Möglichkeiten der künstlerischen und sportlichen Betätigung, für Wanderungen und Weiterbildung finden. Leider wurde entsprechenden Anträgen nicht stattgegeben, so dass sich das Schloss im Besitz des Freistaates Sachsen befand und einige Jahre als Schule für behinderte Kinder genutzt wurde. Mit der Verlagerung der Schule an andere Orte wurde das Haus frei und konnte zum Kauf angeboten werden.
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