Die historische Mühle nahe der Elsteraue in Stahmeln zählt zu den Wahrzeichen der Ortschaft. Die Mühlenwerke können auf eine lange Geschichte zurückblicken. Schon 1486 wurde die Wassermühle erstmalig urkundlich erwähnt. Die Weiße Elster ist ihre Antriebskraft. Ein verheerender Brand zerstörte 1875 die alten Gebäude. Zwischen 1906 und 1936 erfolgte die Umgestaltung zur Industriemühle Bis 1945 war sie als "Lucke-Mühle" ein Familienbetrieb. Ihn traf 1946 die Enteignung in der sowjetischen Besatzungszone des Nachkriegsdeutschland. *)
In der DDR gehörten die volkseigenen Mühlenwerke Stahmeln zuletzt zum VE-Kombinat Getreidewirtschaft Leipzig. Dann kam die Wende. 1990 begann die Privatisierung der Mühle. Sofort wurde sie unter Treuhandregie in eine GmbH umgewandelt und zum Verkauf ausgeschrieben. Die Vereinigte Kunstmühlen AG aus Hamburg erwarb den Betrieb zu günstigsten Bedingungen. Mit zwei anderen Mühlen versuchte sie im Osten eine neue Produktionslinie aufzubauen. Das mißlang. Inzwischen sah sich die Aktiengesellschaft aus betriebswirtschaftlichen Gründen gezwungen, komplett aus der Produktion in den neuen Bundesländern auszusteigen. Die Stahmelner Mühle sollte abermals zum Verkauf ausgeschrieben und damit in eine existentielle Krise gestürzt werden.
Da ergriff ihr Geschäftsführer Harald Fiebig die Initiative. Er stammt aus einer Familie, die seit drei Generationen mit Mühlen eng verbunden ist. Großvater und Vater waren in der Branche tätig. Harald Fiebig sah die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter und den hiesigen Mühlenstandort samt Unternehmen gefährdet. Das ließ ihn nicht ruhen. Kurzerhand kaufte er, nach gründlicher Marktanalyse und Kostenkalkulation, die Mühle. Heute ist er alleiniger Gesellschafter und sichert dem Unternehmen eine weitere erfolgreiche Entwicklung. Immerhin hat es gegenwärtig dreißig Mitarbeiter und erzielte im Jahre 1999 einen Umsatz von 16,8 Millionen Mark. Für dieses Jahr werden etwa 20 Millionen Mark an Erlösen erwartet, und das bei einer angespannten Wettbewerbssituation im Lebensmittelhandel und in der Mühlen-Branche.
Grundlage dafür ist die Firmenphilosophie: Herstellung weniger Produkte in bester Qualität in großen Mengen und eine hohe Lieferzuverlässigkeit. Die Mühle produziert rund um die Uhr und das an sieben Tagen in der Woche. Rückblickend kann der Geschäftsführer mit berechtigtem Stolz feststellen, dass die komplizierte und harte Umstrukturierung des Unternehmens als Bestandteil der gesellschaftlichen Umwälzungen in Ostdeutschland geglückt ist, zumal die Ostprodukte heute wieder im stärkeren Maße auf dem Markt den Platz einnehmen, den sie verdienen.
Die Mühlenwerke Stahmeln spielen in der hiesigen Wirtschaft eine maßgebende Rolle und bilden den größten Anbieter für Mehle in der Region.
Längst hat sich die Antriebskraft für die Mahlwerke grundlegend verändert. Natürlich ist nach wie vor die Wasserkraft eine wichtigste Energiequelle. Doch an die Stelle der einstigen Wasserräder sind moderne Turbinen getreten. Nach Regulierungsmaßnahmen und einem Stau der Weißen Elster in den letzten Jahrzehnten, kann die Mühle fünfundzwanzig Prozent des benötigten Stromes selbst erzeugen und davon dann Energie ins öffentlich Netz einspeisen, wenn sie für die Mühle nicht gebraucht wird. Sie arbeitet weitgehend umweltfreundlich, trotz der Angriffe von manchen Naturschützern, die den Auwald gefährdet sehen oder von Anwohnern, die sich über gelegentliche Lärmbelästigung beschweren, obwohl von der Geschäftsleitung viel zur Reduzierung der Geräuschkulisse der Maschinen getan wird, vor allem durch den Einbau lärmdämmender Abluftanlagen.
In der DDR erfolgte für die Mühlenwerke Stahmeln 1986 die letzte Grundinstandsetzung. Die brachte sie auf einen relativ guten technischen Stand und zu einem hohen Sicherheitsstandard, der den in den alten Bundesländern gültigen Bestimmungen nahe kam. Nur beim Einsatz von Elektronik haperte es erheblich. Von 1992 bis heute haben die neuen Eigentümer zehn Millionen Mark für Investitionen eingesetzt, davon zwei Drittel für die Modernisierung der Produktionsabläufe. Das Investgeschehen soll weitergehen. Vorbereitet werden die erforderlichen Maßnahmen, um dem denkmalgeschützten Mühlen-Gebäudekomplex ein neues schönes äußeres Kleid anzupassen und auch die schon jetzt guten hygienischen Bedingungen nach den neuesten Normen noch weiter zu verbessern.
Tagtäglich vermahlen die erfahrenen Müller hundertzwanzig Tonnen Weizen und sechzig Tonnen Roggen zu Standardmehlen aller Typen oder "Mehlen nach Maß". Jährlich sind das immerhin fünfundvierzigtausend Tonnen Elite- und A-Weizen und sechzehntausend Tonnen Roggen bester Qualität, die ausschließlich von leistungsfähigen Agrarbetrieben im Umkreis von hundert Kilometern bezogen werden.
Produziert werden Weizenmehle aller Typen, Weizengrieß und Weizenschrote sowie Mehle nach Maß und für technische Zwecke, Roggenmehle aller Typen, Roggenvollkornmehl und Roggenschrote. Dazu kommt das begehrte Malfa-Kraftma-Mehl, Grundlage für die einzigen aus DDR-Zeiten übrig gebliebenen Spezial-Brot und -Brötchen, die Feinschmecker zu schätzen wissen. Inzwischen gehören diese Markenprodukte auch in den alten Bundesländern zum Sortiment in Spezialgeschäften.
Jedes Mehl, das die Mühle verläßt, wird einer strengen Qualitätskontrolle unterzogen. Das beginnt schon bei der Getreideabnahme und führt über die Verarbeitung nach den vorgegebenen Qualitätsparametern für gleichmäßig hochwertiges Mehl. Das firmeneigene Labor und ein Backstudio, in dem laufend Untersuchungen der Produkte und Backversuche unternommen werden, vervollständigen das vorhandene Qualitätssystem. Besonders entspricht die neue Verladung und Auslieferung der Mehle den gewachsenen Anforderungen. Schnell, genau und absolut sauber werden an einer modernen Verladestation die richtige Mehle in die Silofahrzeuge gefüllt. Das Fahrpersonal liefert das gesackte Mehl oder die lose Ware in hygienisch einwandfreien Verpackungen an den Kunden aus. Dabei sind pünktliche und freundliche Bedienung selbstverständlich. Nicht umsonst wurde dem Unternehmen zertifiziert, dass es nach einem Qualitätsmanagementsystem entsprechend DIN EN ISO 9001 arbeitet.
Die Kunden wissen das zu schätzen, besonders die Flexibilität bei der Auslieferung, die auch am Sonnabend erfolgt. Selbst besondere Wünsche für eine außerplanmäßige Sofortlieferung werden erfüllt. Für die Absatzstruktur besteht im Leipziger Raum eine günstige Konstellation. Vor allem sind die meisten der neu entstandenen Backwaren-Großproduzenten Abnehmer, dazu die BAKO, der Großhandel für die kleinen Bäckereien. Doch auch viele Einzelabnehmer, vorrangig handwerklich betriebene Bäckereien, gibt es in einem Gebiet zwischen Leipzig und Halle, Chemnitz, Dresden und Gera, die Mehle aus Stahmeln beziehen. Die verkehrstechnisch günstige Lage der Mühlenwerke bilden hierbei einen großen Vorteil. Das Brot, das wir essen und die knusprigen Brötchen auf unserem Frühstückstisch sind zu einem großen Teil aus den Mehlen der Mühlenwerke Stahmeln gebacken.
Die Mühlenwerke sind immerhin der größte Produktionsbetrieb in der Ortschaft. Mit ihr fühlt er sich eng verbunden, zumal die meisten Mitarbeiter aus Lützschena und Stahmeln kommen. Geschäftsführer Harald Fiebig sieht deshalb eine seiner Verpflichtungen darin, im Rahmen der Möglichkeiten des Unternehmens territorial als Sponsor zu wirken. Der Sport hat es dem Chef besonders angetan. Lange schon gehört sein Interesse dem Radsport. In vielfältige Weise treten die Mühlenwerke mit Fördergeldern in Erscheinung, für die Sportvereine im Ort, beim Heimatfest, aber auch für Kindergarten und Schule. Eine produktive Zusammenarbeit mit dem Heimatverein hat sich entwickelt.
Auf allen Gebieten können sich die Mühlenwerke sehen lassen. Anerkennenswert stärken sie das Ansehen unserer Ortschaft.
Gottfried Kormann
*) Näheres über die Geschichte der Mühlenwerke wird in der nächsten Ausgabe im Beitrag von R. Pietag über die Elstermühlen fortgesetzt. Dieser Artikel ist schon jetzt auf der Homepage zu finden.
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