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Mit dem Blick auf die 725-Jahr-Feier der ersten urkundlichen Erwähnung von Lützschena, stellt der Auen- Kurier in loser Folge bekannte Persönlichkeiten vor, die in Lützschena und Stahmeln gelebt haben oder sich mit unseren Ortschaften eng verbunden fühlten. Martha Weber zählt zu ihnen.
Aus dem Erzgebirge kam Martha Weber, die 1998 im Alter von 94 Jahren starb, im November 1981 nach Lützschena. Zuvor hatte sie, die am 13. April 1904 in Wiesa geboren wurde, 70 Jahre lang in Schönfeld-Zschopautal gewohnt. Bis zu ihrem Tode lebte sie bei ihrer Tochter, Maria Schreiber, im Radefelder Weg. Wiederholt hat der Auen-Kurier schon über die Dichterin berichtet (1). Das im Verlag der Nation neu erschienene Buch (2) mit einer Auswahl ihrer Gedichte ist Anlass, ihre literarische Leistung einmal mehr zu würdigen.
Hier zunächst noch einmal ihre wichtigsten Lebensdaten:
Martha Weber wird als Tochter einer Dienstmagd und eines Arbeiters geboren,
besucht die Volksschule und arbeitet
dann täglich zehn Stunden im Akkord als Schuhstepperin später übernimmt sie
Heimarbeit, trennt sich von einem
ungeliebten Mann, zieht allein zwei Kinder auf.
Erste Schreibversuche beginnen im Mai 1938, seitdem lässt Martha Weber das
Dichten nicht mehr los. Eine
Literaturkritikerin nennt sie ein "Naturtalent im Goethe'schen Sinne". Mit über
fünfzig Jahren besucht sie den
ersten Kurs des 1955 gegründeten Leipziger Literaturinstituts. Von der
Dichterin sind bereits 6 Gedichtbände
erschienen. In ihrem Nachlass finden sich mehrere Ordner mit unveröffentlichten
Texten. Maria Schreiber ist mit
der Archivierung der Manuskripte beschäftigt. Der Nachlass wird an die
Städtischen Bibliotheken Leipzig
übergeben.
Trotz mancher Erfolge blieb Martha Weber in der DDR die verdiente
gesellschaftliche und literarische
Anerkennung versagt. Der größere Teil der Literaturkritik ignorierte
ungerechterweise ihre Dichtung und tat sie ab
mit dem Stempel "Heimattümelei". Von ihren Kollegen und einer breiten
Öffentlichkeit wurde sie kaum
wahrgenommen. Das schmerzte Martha Weber, oft fühlte sie sich einsam in ihrer
literarischen Welt. Ihre
Enttäuschung fasste sie, hier bezogen auf die Nachbarn in ihrem Heimatdorf, in
die Sätze:
"Bin hier im Dorf nur schwarzes Schaf,
und doch trotz allem hier daheim,
so auch ein Mensch, der leiser geht
im barschen Wind, der fernwärts weht,
und auf Besuch nur sozusagen." (3)
Umso erfreulicher ist es, dass jetzt der Verlag der Nation als siebentes Buch
weitere, bisher noch nicht
veröffentlichte Gedichte der Dichterin herausgegeben hat. Es gewinnt an Wert
auch dadurch, dass es die sieben
Briefe enthält, die der Dichter Louis Fürnberg (1909-1957) zwischen dem Oktober
1956 und dem 23. Juni 1957 an
Martha Weber gerichtet hat. Louis Fürnberg galt als ein Lyriker und Erzähler
von Rang. Bis 1945 war er als
Kommunist in Palästina im Exil. Nach seiner Rückkehr in sein Geburtsland
Tschechien übte er im Auftrag der
tschechoslowakischen Regierung diplomatische Funktionen in Deutschland aus, bis
er 1954 sich bleibend in der
DDR niederließ. Hier war er als einflussreicher Autor auch kulturpolitisch
tätig.
Louis Fürnberg hatte Martha Weber im Literaturinstitut kennen gelernt und als
einziger namhafter Schriftsteller
sofort ihr starkes Talent erkannt, das er dann zu fördern suchte. In den Briefe
ermuntert er sie, das Dichten auf
keinen Fall zu lassen und mutig mit dem Schreiben fortzufahren; denn "Ihr
dichteres Profil ist deutlich und klar,
und der daran mäkelte, müsste erst lernen, was Kunst ist." (4)
Louis Fürnberg hat sich für die einfache, hochbegabte,
mit ihren Kindern in bescheidenen Verhältnissen lebende Frau eingesetzt.
Beispielsweise besorgte er ihr ein kleines
Stipendium. Warmherzig nahm er sich ihrer Gedichte an, als sachkundiger und
erfahrener Berater korrigierte er sie
hier und da und gab viele fachliche Hinweise. Der letzte Brief an Martha Weber
ist am 23. Juni 1957 datiert, er
entstand wenige Stunden vor dem plötzlichen Tode des Dichters und Fürsprechers.
Seine letzten Worte lauten:
"Einen guten Sommer wünsche ich Ihnen. Leben Sie wohl und bleiben Sie
gesund..." (5)
Ihrem Förderer widmete Martha Weber die Worte:
Zum Tod Fürnbergs |
---|
Du schläfst im engen Grabe und ich im alten Haus. Wie ich geliebt Dich habe, sagt mein Lied aus. |
In ihm des Brotes Krume, des Finken leiser Sang, der Freundschaft ewige Blume, ein Birkenwehn am Hang. |
Die Wellen in den Flüssen besingen Dich so rein. Ich wird Dich singen müssen, bis man auch mich gräbt ein. (6) |
Die Gedichtsammlung "Der Worte Sommerzauber riss mich fort" enthält sprachlich schöne, bilderreiche Liebes- und Naturgedichte, dazu Sprüche, Verse und Sätze. Einmal mehr schöpft Martha Weber ihre Dichtung aus der sie umgebenden Natur, die sie auch als Sinnbild unseres Daseins versteht. In ihren Versen setzt sie sich aber auch mit dem harten Alltag auseinander und denkt über die Beziehungen der Menschen zueinander nach, verbunden mit Bekenntnissen zum Glauben und zum Leben.
"Immer hin- und hergetrieben. Wie die Wolke vor dem Wind bet ich her das große Lieben, das durch tausend Tode rinnt?" (7) |
heißt es an einer Stelle des Buches. Und gleichsam als Bilanz ihres Lebens schreibt sie: "Wie ein gefallener Engel hocke ich einsam in der Lehmgrube des Ichs." (8) Das Buch wirkt als bleibende Erinnerung an die Lützschenaer Dichterin Martha Weber.
Zeichnungen einer guten Freundin, der Berliner Künstlerin Ingrid Goltzsche-Schwarz (1936-1992), bereichern das Buch. Sie schuf einfühlsame, realistische Grafiken, die den Reichtum menschlicher Gefühle und der Beziehungen zwischen Mensch und Natur ausdrücken.
Gottfried Kormann
Anmerkungen:
(1) Veröffentlichungen über Martha Weber erfolgten in den Ausgaben
des Auen-Kuriers vom Mai 1995, 1997 und 1998
(2) Martha Weber, Der Worte Sommerzauber riss mich fort, Gedichte,
Verlag der Nation Ingwert Paulsen jr., Husum, 2000
(3) Ebenda, S. 5
(4) Ebenda, S. 90
(5) Ebenda, S. 98
(6) Ebenda, S. 34
(7) Ebenda, S. 77
(8) Ebenda, S. 82