Auenkurier
Februar 2003

   

Historische Persönlichkeiten - Leben in Lützschena

Erinnerung an Prof. Ludwig Schuster und Theodora Schuster-Lott

Mitteldeutsche Musikgeschichte, geschrieben am Dorettenring

Lützschena feiert 2003 die Erinnerung an die erste urkundliche Erwähnung vor 725 Jahren mit einem umfangreichen Festprogramm und gedenkt mit einer Porträtreihe bekannter Persönlichkeiten, die hier leben und wohnten, hier wirkten und schaffen.

In dieser Ausgabe des "Auenkurier" stehen der Konzertmeister Prof. Ludwig Schuster und die Musikwissenschaftlerin Theodora Schuster-Lott im Mittelpunkt.

Adresse: Dorettenring. Doris Peglau, Ehefrau des Bauherrn, gab den Namen für die "Villencolonie", erbaut vor dem ersten Weltkrieg, noch im Grundwasser der Elsteraue - lange vor der Entwässerung durch den Luppekanal. Die Lage in der reizvollen Landschaft und die Anklänge an holländische Architektur führten, so hatte es der kunstliebende Bruno Peglau, ein Leipziger Rechtsanwalt, gedacht, den Dorettenring zur Künstlerkolonie. Und er behielt recht, denn ein gutes Stück Kunst- und Musikgeschichte wurden hier geschrieben. Hier, in diesem einzigartigen städtebaulichen Ensemble, dessen Bewohner in diesem Jahr zum 25. Mal ihr Dorettenringfest mit Hymne, Lied, Fahne und, wie alljährlich, zwei Zeitungen begehen.

Bei alledem bleiben die Erinnerung und Würdigung auch der Prominenten von damals lebendig.
Über manches Haus, seine früheren Bewohner und heutige Mitbürger wird zu berichten sein. Doch hier nun geht es um das "Schusterhaus". Schlicht wie vordem steht "Schuster" am Tor, dem Zugang für die Generationen der heutigen Familie, die Bewahrer des Vergangenen sind. Zu Zeiten des Hauses der Musik gingen, um nur wenige Komponisten, Dirigenten, Sänger und Instrumentalisten zu nennen, Persönlichkeiten wie Udo Zimmermann, Siegfried Matthus, Horst-Tanu Margraf, Philine Fischer, Günter Kootz hier ein und aus; und persönliche Brief des weltberühmten Bela Bartok lagen im Postkasten.

Ludwig Schuster (1905 - 1968) kam 1946 nach Lützschena. Der gebürtige Münchner, musikalisch hochbegabt, freundlich und weltoffen, erhielt vom Vater, der von der Wanderschaft Wiener Charme mitgebracht hatte, durch Gesang und Zitherspiel erfreute, seine erste Geige in den Arm.

Mit acht Jahren begann die musikalische Ausbildung und bald wurde sichtbar, dass sich ein großes Talent entwickelte, das mit 13 Jahren das Konzertpodium betrat und das C-Dur-Violinkonzert von Haydn öffentlich spielte. Das Studium an der Akademie der Tonkunst in München wurde erfolgreich abgeschlossen, dann mußte, mitten in der Inflationszeit, Geld verdient werden: im Kaffeehaus, im Filmtheater. Es folgte die Berufung zum 1. Konzertmeister der Nürnberger Philharmonie und damit der Beginn einer Karriere, die schließlich in Mitteldeutschland reifte. Als Kammermusiker konzertierte Ludwig Schuster mit Legenden des Podiums wie Ludwig Hoelscher und Elly Ney, er war Schüler in der Meisterklasse von Georg Kulenkampff, spielte im Streichquartett des Salzburger Mozarteums, wurde 1. Konzertmeister des dortigen Orchesters und lernte anläßlich eines Konzerts in der Mozartstadt seine spätere Partnerin und Frau Theodora kennen. Der weitere künstlerische Weg führte folgerichtig nach Leipzig, später auch Halle.

Im Jahr 1946 wurde Ludwig Schuster Dozent für Violine an der Hochschule für Musik in Leipzig. Dieser Anstalt blieb er - seit 1954 als Professor - bis zum Tod treu. Neben der erfolgreichen Lehrtätigkeit ( Schüler sind u.a. im Gewandhausorchester, MDR-Sinfonieorchester engagiert), gab es zahlreiche solistische Verpflichtungen mir Violinkonzerten von Beethoven, Glasunow, Malipiero, Leo Spies u.a.

Die Jahre 1951 - 1955 führten Ludwig Schuster als 1. Konzertmeister an das damalige Händel-Festspielorchester nach Halle. In künstelerischer Partnerschaft mit dem Dirigenten Horst-Tanu Margraf, den Sängern Philine Fischer, Hellmuth Kaphan, Günther Leib u.a. begann die "Händelrenaissance" in der Geburtsstadt des weltberühmten Komponisten mit Aufführungen vieler seiner Opern, Chor- und Orchesterwerke. Aus der damaligen Wiederbelebung des Werkes von Georg Friedrich Händel wurden die bis heute Jahr für Jahr international beachteten Händelfestspiele in der Nachbarstadt.

In die Zeit seiner Tätigkeit in Halle fiel die Gründung des Ludwig-Schuster- Quartetts, das sich mit herausragenden und von Publikum wie Kritik begeistert aufgenommenen Interpretationen von Werken der Klassik, Romantik und Gegenwart bald in die vorderste Reihe der Streichquartettvereinigungen gespielt hatte. Mit großem Erfolg wuzeen auch fast alle Streichquartette Schostakowitschs erstaufgeführt und, so schrieben Rezensenten, "neue Musik war kein Problem mehr, sondern ein Erlebnis". Bei ETERNA erschienen Schallplatten des Schuster-Quartetts mit Werken von Leo Spies und Max Butting.

Im Schusterhaus, damals zuverlässig bewacht von "Astor", dem weißen Kurasz, war immer etwas los: Hauskonzerte seit 1930, von denen die erhaltenen Gästebücher Auskunft geben; Massenquartier auf Stroh, als Zirkus Aeros abbrannte und 54 Artisten im Freien standen; "Außenstelle" der Hochschule für Musik, Gastfreundlichkeit für beinahe jedermann, Probenhaus des Streichquartetts und Klaviertrios - und vor den Konzerten des Hausherrn flogen die Frackhemden, dann saß die perfekte Autofahrerin am Steuer, chauffierte vom einen zum anderen Auftritt.

Hausherrin im echten Sinn war Theodora Schuster-Lott (1901 - 1987), die in Sofia, Bulgarien, geborene Tabakowa, Tochter eines 1925 durch Attentat ums Leben gekommenen Generals unter Zar Boris. Sie kam über Berlin, Klavierstudium und Studium der Musikwissenschaft, Korrepetitorin bei Max Reinhardt, das Deutsche Theater, im Jahr 1927 nach Lützschena und hielt bis zum Tod engen Kontakt zu ihrer Heimat.

Die "Mami", so durften mache sagen, war eine wahrhaft außergewöhnliche Persönlichkeit, und Nachbarn werden in später Erinnerung noch davon berichten können. Nicht unumstritten war diese agile und tatkräftige Frau, Ausländerin, in "Brauner Zeit" als Jüdin, die sie nicht war, denunziert, von hohem sozialem Engagement getragen sich nicht zu schade, auf Dörfern rundum Tanzmusik zu spielen, als es finanziell eng war, und Pflegesohn Jürgen fuhr im Fahrradkörbchen mit .Theodora Schuster-Lott, lebenslang in vielerlei Aufgaben der Musik verpflichtet. Sie spielte auch in Lützschena als Duopartnerin am Klavier, wovon ein Programm (siehe Titelseite) zeugt - von Kurt Frühauf, dem Maler und Grafiker gestaltet -, zugunsten des Kindergartens und der Schule im Jahr 1949 mit Ludwig Schuster.

Ihr späteres Wirken war weitestgehend musikwissenschaftlich und editorisch im Rahmen berühmter Leipziger Musikverlage bestimmt: Gesamtausgaben Händel und die Partituren manches Bühnen- oder Orchesterwerks von Zeitgenossen wie Udo Zimmermann, Siegfried Matthusa und anderen bekam am Schreibtisch im Dorettenring, oft bis 2 Uhr nachts, den letzten Schliff, die letzte Genauigkeit. In diesem Sinn hat Theodora Schuster-Lott, akribisch tätig bis in ihre letzten Lebenswochen, Musikgeschichte geschrieben, sich selbst ein Denkmal gesetzt.

Das erhaltene großformatige Gemälde einer schönen jungen und klugen Frau, Werk des Malers Frotz Buchholz, gleich Kurt Frühauf ein ehemaliger Nachbar im Dorettenring, hält die Erinnerung an eine bedeutende Persönlichkeit in Lützschena wach.

Gerald Brause




zurück | Auenkurier Hauptseite | Seitenanfang

© 2003 Lützschena-Stahmeln