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Margarete Heinrich, Bürgermeisterin von Lützschena in den Jahren 1974-1982

Das Geheimnis ihrer Erfolge - Bürgernähe

In der Reihe der hauptamtlichen Bürgermeister, die in Lützschena im 20. Jahrhundert amtierten, zählt Margarete Heinrich aus Schkeuditz zu den erfolgreichen Persönlichkeiten, die bis heute Ansehen bei jenen Bürgern der Ortschaft genießen, die ihre Arbeit unmittelbar erlebten. Die einstige Lehrerin und Hortnerin an der Polytechnischen Oberschule in Schkeuditz, wurde am 1. April 1974 mit der Leitung des Rates der Gemeinde betraut. Sie kam vom Rat des Landkreises Leipzig, wo sie mehrere Jahre als Mitglied des Rates und Leiterin der Abteilung Jugendfragen, Körperkultur, Sport und Naherholung tätig war. Ihr selbstloser Einsatz für die Gemeinde unter den damaligen schwierigen Bedingungen in der DDR und ihre enge Verbindung mit den Einwohnern, für deren Anliegen, Kritiken und Hinweise sie immer ein offenes Ohr hatte, brachten ihr viel Sympathie bei den Bürgern ein. 1982 musste Margarete Heinrich aus gesundheitlichen Gründen ihre Tätigkeit aufgeben. Heute ist sie in der Volkssolidarität aktiv und nimmt an der gesellschaftlichen Entwicklung rege Anteil.

Im Zusammenhang mit der bevorstehenden 725-Jahr-Feier von Lützschena- Stahmeln sprachen wir mit Margarete Heinrich, die als Seniorin in Schkeuditz lebt.

Auen-Kurier: In Lützschena erinnern sich viele ältere Einwohner gern an Ihre Amtszeit als Bürgermeisterin der Gemeinde in den Jahren 1974-1982. Wie konnten Sie die besonderen Leistungen zum Wohle der Gemeinde erreichen?

Margarete Heinrich: Ich habe die Funktion als Bürgermeisterin in einer so geschichtsträchtigen und leistungsstarken Gemeinde, wie es Lützschena damals bereits war, gern ausgeübt. Meine Tätigkeit hat mir viel Spaß gemacht. Mir fiel es schwer, aus dem Amt zu scheiden, als das mein angegriffener Gesundheitszustand erzwang. Immerhin rangierte Lützschena im Landkreis Leipzig in der Kategorie der Gemeinden von 3-5 Tausend Einwohnern. Das war schon ein größerer Ort in der Region. An meiner Seite arbeiteten vier hauptamtliche Ratsmitglieder, dazu etliche weitere Mitarbeiter in den verschiedenen Ressorts. Vor allem aber möchte ich mich noch heute bei den damaligen Einwohnern bedanken, die mit viel Initiative und freiwilligen Arbeitseinsätzen mir die entscheidende Stütze waren. Was sie in der so genannten "Feierabendtätigkeit" leisteten, verdient noch immer meine Hochachtung.
Auch die Vereine waren außerordentlich aktiv, an der Spitze die Mitglieder der Freiwillige Feuerwehr, die immer zur Stelle waren, wenn ich sie um Unterstützung bat. Doch viele Initiativen gingen auch vom Siedlerverein am Windmühlenweg, von der Gartensparte "Lindenhöhe", von der BSG "Empor", der Oberschule "Hans Beimler" und anderen aus, neu entstand die Reitersparte. Unbezahlbar war die Mitarbeit der kleinen Handwerksbetriebe in der Gemeinde. Überall wurde der Aufruf "Schöner unsere Städte und Gemeinden - mach mit!" aufgegriffen. Ohne diese schöpferische Mitarbeit der Einwohner hätte ich nichts schaffen können, zumal vom Kreis und Bezirk keine große Hilfe unter den Bedingungen der Plan- und Mangelwirtschaft und der starken Zentralisierung der Führung zu erwarten war. Mein Grundsatz war, den Einwohnern anschaulich zu machen, was ich unter "sozialistischer Demokratie" verstand, nämlich alle in die Gestaltung des gesellschaftliche Lebens in der Gemeinde einzubeziehen. Dazu suchte ich täglich die enge Verbindung zu den Bürgern und sorgte mich um ihre Probleme. Außerdem waren in der Gemeindevertretung alle damals existierenden Parteien vertreten. Das wirkte mobilisierend.

A.-K.: Unter welchen Bedingungen vollzog sich Ihre Arbeit als Bürgermeisterin in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit?

M.H.: Das Rathaus Lützschena wurde ja als Kinderkrippe umgebaut, was allerdings eine vorübergehende Sache sein sollte, denn für den Neubau einer Kinderkrippe gab es bereits fertige Projekte, der Standort war festgelegt. Da somit keine Verwaltungsräume zur Verfügung standen, mussten meine Mitarbeiter und ich in das Obergeschoss des Kulturhauses einziehen. Im Herbst 1974 wurde mir von der Plankommission des Rates des Kreises mitgeteilt, dass der Neubau wegen fehlender Mittel gestrichen wurde. Das war der Zeitpunkt, als das Provisorium im Gasthof aufgegeben werden musste und die Gemeindeverwaltung in eine Wohnung ins Haus der Post, An der Schäferei 26, zog. Keine leichte Arbeit unter solchen Bedingungen.

A.-K.: Was sind herausragende Leistungen, die dennoch unter denen von Ihnen geschilderten erschwerten Bedingungen erzielt werden konnten?

M. H.: In meiner Amtszeit schloss der Rat der Gemeinde einen Kommunalvertrag mit der Exportbrauerei Sternburg in Lützschena ab. Das war ja bekanntlich der einzige große Betrieb in der Gemeinde. Seine Vertreter waren Mitglieder der Gemeindevertretung. Im Vertrag legten wir fest, in welcher Weise der Betrieb sich in der Gemeinde wirksam engagieren kann. Es gab außerdem im Ort noch eine Schweineaufzuchtanlage. Von der war für Lützschena nicht viel zu erwarten. Geschaffen haben wir gemeinsam mit Betrieb und Einwohnern: Zwei große Straßeninstandsetzungen im Radefelder Weg in der Gartenstadt und in der Elsteraue sowie die Instandsetzung des Fußweges im Windmühlenweg; Im Quasnitzer- und Radefelder Weg entstanden die ersten Eigenheime, das war besonders wichtig; denn auch in Lützschena gab es schmerzhafte Wohnungsprobleme. Für die Neubauten mußte eine neue Wasserleitung gelegt werden. Mir lag das kulturelle Leben in der Gemeinde am Herzen. Wir konnten das unter Denkmalschutz stehende Kulturhaus erhalten und rekonstruieren und die Bewirtschaftung durch die HO zufriedenstellend regeln. In das Kulturhaus haben wir viel Geld gesteckt.
Andererseits hat es mich geschmerzt, dass ich für etliche Projekte nichts tun konnte, die nicht allein durch Bürgerinitiative zu bewältigen waren. Ich bekam kein Geld für die Erhaltung und Pflege des Bismarckturms. Und ich musste ohnmächtig mit ansehen, wie der Schlosspark immer mehr verwilderte. Aber an staatliche Unterstützung für solche Anliegen war nicht zu denken.

A.-K.: In Ihre Amtszeit fiel 1978 die 700-Jahrfeier der ersten urkundlichen Erwähnung Lützschenas. Wie sind Sie an deren Vorbereitung herangegangen?

M.H.: Die Feierlichkeiten wären nicht möglich gewesen ohne die Mithilfe der Einwohner und aller gesellschaftlichen Kräfte in der Gemeinde, angefangen von der Feuerwehr, über die Betriebe und Schulen, bis hin zu den Vereine. Mit den Vorbereitungsarbeiten haben wir zwei Jahre vor den Festlichkeiten begonnen. Wir mussten ja bei Null anfangen. Zuerst war Forschungsarbeit nötig, beispielsweise im Merseburger Staatsarchiv, um an die Gründungsurkunde heranzukommen und den 6. September als Gründungstermin ausgraben zu können. Es war viel Kleinarbeit nötig. Zum Glück fand ich bei den Bürgern eine große Bereitschaft mitzumachen. Dazu waren aber viele Gespräche nötig. Kreis und Bezirk winkten ab nach dem Motto: Wenn Ihr Euer Fest machen wollt, dann ist das Eure Sache, von uns könnt Ihr nichts erwarten. Das war ernüchternd. Aber immerhin hat die Gemeinschaft der Ortsbewohner damals ein reichhaltiges Festprogramm für vier Wochen, vom 6. September bis 7. Oktober 1978, zustande gebracht, mit Festakt, großem Festumzug und Feuerwerk, mit der Ausstellung "700 Jahre Lützschena - unsere Gemeinde zwischen Vorgestern und Übermorgen", Republik-Meisterschaften der reit-, spring- und fahrsportlichen Disziplinen auf der neuen Reitsportanlage am Schlossweg und 33 weitere Sport- und Kulturveranstaltungen, einschließlich der Neubelebung des örtlichen Klampfenchores und des Auftritts einer Blaskapelle aus der CSSR. Leider bekamen wir keine Papierzuteilung, um die fertig geschriebene Festschrift veröffentlichen zu können. Gern denke ich an diese produktive Zeit zurück, in deren Ergebnis viele schöpferische Kräfte für die weitere gesellschaftliche Entwicklung von Lützschena neu gewonnen werden konnten.

A.-K.: Frau Heinrich, vielen herzlichen Dank für dieses Gespräch

Interview: Gottfried Kormann




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