zurück | Auenkurier Hauptseite | Inhalt dieser Ausgabe

Stellmacherei und Karosseriebau Fröbus Familienbetrieb in drei Generationen


Wer vor dem großen Tor am Elstermühlweg 4 steht, blickt auf einen Traditionsstandort. Seit bald achtzig Jahren wird hier Fahrzeugbau und -reparatur betrieben. Auf dem geräumigen Hof stehen heute, "Mann an Mann", moderne Fahrzeuge aller Typen und Größen, die im Kfz-Meisterbetrieb von Hendrik Kühne wieder wie neu werden. Sein kleines Unternehmen hat der Auen-Kurier in seiner Februarausgabe vorgestellt.

Viele Jahre vorher füllten hölzerne Pferde- und Handwagen, Bierwagen, Kutschen, Schlitten und andere Gefährte, der nstandsetzung harrend, das Rund des Hofes. Und links, gleich vor der großen erkstatthalle, stand das Sägegatter, hinter dem die riesigen Baumstämme aus dem Schlosspark und Auwald zurechtschnitten wurden. Sie wurden per Hand und mit Pferdekraft dorthin geschafft. Im weithin hörbaren rhythmischen Hin und Her des meterlangen Sägeblattes entstanden aus den Stämmen Bretter verschiedener Art. Vor dem Tor, dort, wo heute eine gepflegte Wiese liegt, befanden sich im Holzlager die tonnenschweren "Urwaldriesen", hoch aufgetürmt. Für die Kinder in der Umgebung war es eine Attraktion. Und zur Weiterverarbeitung der im Gatter zugeschnittenen Bretter, warteten aller Art große elektrische Sägen, Richt- und Hobeltische in der geräumigen Werkstatt, dort, wo heute an Autos der Qualitätsmarken Ford, Mercedes, Opel und anderen gebohrt, geschraubt und gerichtet wird.
Vom Stellmachermeister man sollte vielleicht im Lexikon nachschlagen, was sich hinter dem vielleicht aussterbenden Beruf eigentlich verbirgt- zum Kraftfahrzeugmeister: hier wird ?Lützschena im Wandel der Welt? in vielen Facetten sichtbar. Karl Wilhelm Fröbus, am 30. Mai 1882 geboren, ist ?Ahnherr? der Familie. Seine Wiege soll in Corsleben, tief in den Wäldern des Harzes, gestanden habe. So lag es nahe, dass er, erwachsen geworden, seine Zuneigung zum großartigen Rohstoff Holz fand und seine Bearbeitung gründlich erlernte. Er ging auf Wanderschaft und kam schließlich mit Frau Ida in Lützschena an, wo er blieb. Vielleicht lockte schon damals die nahe Großstadt Leipzig. In Lützschena wurde 1911 auch Sohn Carl geboren.
1925 war die Geschäftseröffnung der Stellmacherei am Elstermühlweg, zunächst auf der Grundlage eines Pachtverhältnisses mit dem Guts- und Schlossherrn von Sternburg. Brauerei und Rittergut, dazu die kleinen Bauernhöfe beauftragten den neuen Handwerksbetrieb, die Pferdewagen und Biertransporter der Brauerei, auch landwirtschaftliche Geräte, Kutschen und Schlitten, zu bauen und, wenn nötig, zu reparieren. Das kleine Unternehmen florierte bald.
Sohn Carl (heute 92 Jahre alt), der zweite Meister in der Stellmacherhierarchie übernahm schließlich den Betrieb vom Vater und setzte mit handwerklicher Qualitätsarbeit zuverlässig und redlich die Familientradition fort. Er hielt stand selbst in den Jahrzehnten der DDR, als die Brauerei und Bauern und Neubauern für Arbeit sorgten, wenngleich die "Materialdecke" dünner wurde, Improvisationen dominierte und allmählich auch Kraftfahrzeuge Hof und Werkstatt füllten. 1955 kaufte Carl Fröbus den bisher gepachteten Grund und Boden, eine Entscheidung, die nach der Wende von 1989/90 durch Rückgabeforderungen und gerichtliche Auseinandersetzungen mit den Erben des Alteigentümers zu spätem Ärger in der heutigen Zeit führte.
1969 trat Sohn Andreas, gelernten Karosseriebauer mit Meisterbrief, in den väterlichen Betrieb ein und übernahm ihn 1984. Mit dem dritten, modern ausgebildeten Meister im Familienunternehmen, wandelte sich die Tätigkeit wiederum: Holz war vorbei, Plaste und Metall erhielten alle Vorrechte, das Kraftfahrzeughandwerk prägte fortan das kleine, aber feine Unternehmen, in dem weiterhin Wertarbeit an erster Stelle stand. In den Jahren bis zum Ende der DDR boomte das Geschäft mit der Reparatur von Autos der bekannten Automarken Trabant, Wartburg, B 1000 und andere. Die Autobesitzer von Lützschena und Umgebung waren glücklich, einen solchen zuverlässigen und erfindungsreichen Reparaturbetrieb in ihrer Nähe zu wissen, der für ihre Sorgen meist eine Lösung fand und oft scheinbar Unmögliches möglich machte, um den wertvollen fahrbaren Untersatz der Kunden flott zu halten. Außerdem blieb in all den Jahren die enge Verbindung zur Sternburg-Brauerei, auch nachdem sie in Volkseigentum überführt worden war, bestehen.
Es lief also gut für den Familienbetrieb bis zur ?Wende? von 1990. Bald wurde die Brauerei Opfer des neuen Systems und Reparaturaufträge privater Kunden kamen seltener. Man fuhr lieber mit der Beule im Kotflügel, statt Geld in die Werkstatt zu tragen. Und schließlich wurde das Angebot an Neu- und Gebrauchtwagen erdrückend. Damit kam die Zeit der Suche nach einem geschäftlichen Partner, was im Zusammenwirken mit Hendrik Kühne zum Erfolg führte. Weiter ging es nun mit neuem Elan mit Fahrzeugbau und Auto-Reparaturen am Traditionsstandort.
Als geachtete, alteingesessene Handwerkerfamilie mit Senior Carl, dem rüstigen 92-Jährigen an der Spitze, verkörpern die Mitglieder der Familie Fröbus ihre Verbundenheit mit Lützschena und seinen Bürgern; denn auch Hacken- und Spatenstiele für Jedermann gehörten zum "Produktionsprogramm" der Stellmacher. Jahrzehntelang stellten sich die Männer aller drei Generationen in den Dienst der Freiwilligen Feuerwehr, und der Senior fehlt auch heute nicht, wenn auf dem Sportplatz das traditionelle Heimatfest gefeiert wird. Carl Fröbus bewohnt noch immer das im 18. Jahrhundert erbaute "Fischerhaus". Dort wurden, als in der Weißen Elster noch Fischerei betrieben wurde, die Netze zum Trocknen aufgehängt. Und wenn der freundliche agile Senior nicht im Garten schafft, auch nicht mit dem Fahrrad an die Grabstätte seiner Frau fährt, dann holt er Pinsel und Farbe hervor, malt Bäume und Tiere, Landschaften und Szenen aus seiner früheren Arbeitswelt. Ein erfülltes Leben, dem unsere guten Wünsche gelten.

Gerald Brause




zurück | Auenkurier Hauptseite | Seitenanfang

© 2004 Lützschena-Stahmeln