Auenkurier
August 2004
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Grün, ruhig, wohnlich und ein bisschen extravagant
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Gartenstadt
und Dorettenring bieten seit fast einem Jahrhundert hohe Wohnqualität
in Lützschena
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Lützschena. Gepflegte Gärten, eine schöne,
ruhige Lage unweit von grüner Natur, die eigenen vier wohnlichen
Wände und eine gute Verbindung zur Innenstadt – das sind
Ansprüche an die generelle Lebensqualität. Aber nicht nur
heutzutage wünschen sich meist junge Familien eine solche Lebensweise,
auch schon vor fast 100 Jahren wurden viele Wünsche in der Lützschenaer
Gartenstadt erfüllt.
Einer plante schon damals mit viel Weitsicht: Bauleiter Bruno Peglau.
Er leitete in den Jahren 1909 und 1910 den Bau der Gartenstadt Quasnitz
und des Dorettenrings im Süden des heutigen Leipziger Ortsteils.
Gleichzeitig startete die Gartenstadt GmbH eine groß angelegte
Werbekampagne um Anwohner für die neuen Siedlungen, die besonders
auf die Bewohner Leipzigs abzielte. Der Einleitungstext für die
damalige Broschüre scheint an Aktualität nichts eingebüßt
zu haben: „Das moderne Großstadtleben mit all seinem Lärm
und seiner Unruhe, dem Zwang, in rauchiger, ungesunder Luft und in
engen Straßen zu wohnen, hat wohl in jedem Bewohner Leipzigs
schon einmal den Wunsch erweckt, hinaus aufs Land zu ziehen und in
schöner Lage ein Häuschen zu ermieten.“ Seinen Ursprung
hatte die artenstadtbewegung aber in England. Der „Erfinder“
Sir Ebenezer Howard wollte damit am Ende des 19. Jahrhunderts die
Wohnsituation der Arbeiterklasse verbessern. So entstanden um die
Jahrhundertwende erste Gartenstädte, welche die Lebensqualität
der Arbeiter deutlich erhöhten. Eine Gartenstadt sollte laut
Howard die jeweils vorteilhaften Elemente von Stadt- und Landleben
verbinden und damit ideale Lebensform sein. Allerdings scheiterte
das Großprojekt in England an der staatlichen Unterstützung.
Außerdem geriet es in den Ruf, eine „Stadt der Reformer
und Künstler“ zu sein, was die Arbeiter abschreckte. Auch
in Deutschland gibt es mehrere Gartenstädte, wie beispielsweise
Hellerau bei Dresden. Durchsetzen konnte sich dieser Städtebaustil
aber auch hier nicht In Quasnitz hatte Baumeister Peglau ein ursprünglich
250000 Quadratmeter großes Gelände für „seine“
Gartenstadt vorgesehen. Letztlich baute er aber nur 135 Häuser
auf einem wesentlich kleineren Gelände – allerdings sollte
das Vorhaben erweiterbar bleiben. Doch daraus wurde nichts, denn „Peglau
hat sich an dem gigantischen Projekt übernommen und ist pleite
gegangen“, weiß der Lützschenaer Gerald Brause.
Alle Reihenhäuser der Gartenstadt haben einen kleinen Garten
davor und dahinter und wurden in Gruppen um mehrere „Spielplätze“
angeordnet. Jedes Haus mit vier Zimmern , Küche, Bad, Dachboden
und Keller konnten damals für etwa 530 Mark im Jahr gemietet
oder für etwa 10000 Mark gekauft. Die Planer wollten den Stadtbewohnern
damit eine preisgünstige Alternative zum Erwerb eines Grundstückes
bieten, die damals nicht sehr reichlich vorhanden waren.
Die 135 Häuser waren nicht die einzigen, die Peglau in Quasnitz
erbauen ließ. Im Dorettenring entstanden ungefähr zum selben
Zeitpunkt 21 Häuser im gleichen Baustil. Beim Bau erwies sich
allerdings die bis dahin nicht durchgeführte Grundentwässerung
als Problem – die Luppe in ihren heutigen Bahnen gab es noch
nicht - die Häuser wurden auf Höhe des Grundwasserspiegels
gebaut. Folglich waren die Keller im Dorettenring ständig feucht.
Gerald Brause bezeichnet es außerdem als „städtebauliches
Verbrechen“, eine Wohnsiedlung soweit in die Aue hinein zu bauen.
Trotzdem: Die Bewohner des Dorettenrings pflegen seit etlichen Jahren
die Tradition eines eigenen Straßenfestes – im vorigen
Jahr jährte es sich zum 25. Mal - und bewahren sich bis heute
ein Stückchen Extravaganz. Sogar ein eigenes Dorettenringlied
dichteten die Bewohner. Dieses Lied hat mittlerweile 19 Strophen,
in fast jedem Jahr kommen neue hinzu. In den vergangen Jahren sind
entgegen des Willens der Bauplaner, die den Charakter der Gartenstadt
Quasnitz auf ewig erhalten wollten, viele Umgestaltungen an den Häusern
und Vorgärten vorgenommen worden. Diese lassen das ursprüngliche
Gesicht der Gartenstadt verblassen. „Leider gibt es keine konkrete
Erhaltungssatzung, deshalb wurde auch in den letzten Jahren soviel
umgebaut“, so Ortsvorsteherin Margitta Ziegler, die seit 1980
in Lützschena wohnt. „Die vielen Veränderungen lassen
sich nicht mehr rückgängig machen. Jeder gestaltet sein
Grundstück nach seinen Wünschen und Möglichkeiten.
Anfangs hatten immer kleine Häusergruppen den selben Anstrich,
das sah schon sehr schmuck aus“, erinnert sich Roswitha Pietsch,
die seit 1961 in der Jungfernstiege wohnt und sich auch noch erinnern
kann, als Kind am heute versiegten Jungfernbrunnen gespielt zu haben.
Margitta Ziegler will den Brunnen, mit dem Baumeister Bruno Peglau
seine Baukunst demonstrierte, wieder zum Sprudeln bringen. Allerdings
muss zunächst noch herausgefunden werden, wie es Peglau vor vielen
Jahren technisch gelang, diesen Brunnen zu aktivieren.
Auch heute werden in Lützschena – wie damals - Bewohner
für die Gartenstadt-Siedlung gesucht. „Es stehen einige
Häuser leer für die noch Mieter oder Käufer gesucht
werden“, so Margitta Ziegler. Damit lädt die Ortsvorsteherin
des Leipziger Stadtteils Eigenheim-Suchende in die grüne Siedlung
ein.
Benjamin Leers
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